Und es enthält mehr Dunkle Materie. Das zeigt die genaueste Karte der kosmischen Hintergrundstrahlung, die von der ESA vorgestellt wurde.

Paris. Laien könnten das blau-gelb-rote Fleckenmuster für moderne Kunst halten, sagte George Efstathiou, für Kosmologen hingegen sei die aus 15 Millionen Pixeln zusammengesetzte Karte eine "Goldgrube der Information", für die "einige sogar ihre Kinder weggeben würden". Die Darstellung, die den Direktor des Kavli-Instituts für Kosmologie von der Universität Cambridge so begeistert, ist die bislang präziseste Abbildung des ältesten Lichts im Universum. Sie zeigt das Nachglühen des Urknalls.

Für die am Donnerstag in Paris vorgestellte Karte werteten Forscher um Efstathiou Daten aus, die der Satellit Planck der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) in den ersten 15 Monaten seines Einsatzes gesammelt hatte. Er war 2009 ins All geschossen worden. 2010 veröffentlichte die ESA eine erste, den gesamten Himmel erfassende Aufnahme, die aber auch Licht aus der Milchstraße und weiter entfernten Galaxien enthielt. Es verstellte den Blick auf die sogenannte Mikrowellen-Hintergrundstrahlung, die aus einer Zeit stammt, als der Kosmos erst 380.000 Jahre alt war.

Vor Kurzem gelang es den Forschern, die hellen Emissionen im Vordergrund herausfiltern. Die erste Auswertung ergab, dass die meisten Vorhersagen des kosmologischen Standardmodells - wie das All entstand, woraus es sich zusammensetzt, wie es sich weiterentwickeln wird - prinzipiell stimmen sollten. Allerdings müssten einige frühere Berechnungen korrigiert werde, sagte Efstathiou.

Erstens sei das Universum mit 13,82 Milliarden Jahren älter als gedacht (bisher ging man von 13,77 Milliarden Jahren aus). Zweitens mache die sichtbare Materie, aus der Planeten und Sterne bestehen, 4,9 statt 4,5 Prozent des Kosmos aus. Es existiere auch mehr Dunkle Materie (26,8 statt 22,7 Prozent), jener geheimnisvolle Sternenkitt, der Galaxien zusammenhält, aber weniger Dunkle Energie (68,3 statt 72,8 Prozent) als gedacht, jene Kraft, die dafür sorgt, dass der Kosmos immer schneller wächst. Dies geschieht allerdings - auch eine Erkenntnis aus den jüngsten Planck-Daten - langsamer als gedacht, mit 67,15 Kilometern pro Sekunde und Megaparsec. Woraus Dunkle Materie und Dunkle Energie bestehen, bleibt jedoch ein Rätsel.

Die präziseren Aussagen zur Zusammensetzung und Ausdehnung erfreuen Kosmologen; wirklich überraschend an den jüngsten Daten ist jedoch, dass einige Ergebnisse nicht zu den Vorhersagen des Standardmodells passen. Der Urknalltheorie zufolge war die gesamte Energie des heute bekannten Universums anfangs auf einen winzigen Punkt zusammengepresst. Ob dieser Punkt Teil eines anderen Universums war oder sich in einem Vakuum, also quasi im Nichts befand, wissen Kosmologen genauso wenig, wie was etwa 10 -43 Sekunden nach dem Urknall geschah. Dann, etwa nach 10 -35 Sekunden, so vermuten es Kosmologen zumindest, folgte eine sogenannte Inflationsphase: Blitzartig dehnte sich das Universum exponentiell beschleunigt aus.

380.000 Jahre lang war der Kosmos mit einer extrem heißen Suppe aus geladenen Teilchen gefüllt und damit undurchsichtig; die vom Urknall übrig gebliebenen Lichtteilchen (Photonen) wurden immer wieder abgelenkt. Dann, als mit der zunehmenden Ausdehnung die Temperatur auf 2700 Grad abgekühlt war, fanden sich Protonen und Elektronen zu Wasserstoffatomen zusammen. Das Universum wurde durchsichtig - und die Ur-Photonen konnten ungestört reisen. Seitdem kühlte sich dieses Licht mit der zunehmenden Ausdehnung des Universums immer weiter ab, so dass es heute im Mikrowellenbereich mit einer Temperatur von nur noch 2,7 Kelvin (- 270 Grad Celsius) empfangen wird.

Für unsere Augen ist diese Wärmestrahlung unsichtbar, aber der Satellit Planck, der mit Hightech auf eben 2,7 Kelvin heruntergekühlt wurde, kann diese Signale empfangen, wobei er Unterschiede von Millionstel Grad erfasst. Die nun vorgestellte Temperaturkarte zeigt einige Fluktuationen, die das Standardmodell nicht vorhersagt. Zwar stellten diese Daten die Inflationstheorie nicht grundsätzlich infrage, sagte George Efstathiou, aber sie könnten auf eine "neue Physik" hindeuten. Ziel sei es nun, ein neues Modell zu entwerfen, das diese Anomalien vorhersage und verbinde.

Derweil geht Plancks Kühlmittel zur Neige. Ab September könnten die Detektoren des 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Satelliten zu warm werden - dann ist Schluss mit den Messungen.