Pangasius und Venusmuscheln: Nach dem MSC-Logo für nachhaltig gefangene Seefische kommt jetzt das ASC-Kennzeichen für Fische und Muscheln.

Hamburg. Fische aus industriellen Aquakulturen bekommen ein Ökokennzeichen: Auf dem Fischwirtschaftsgipfel, zu dem sich am Montag und Dienstag 260 Branchenvertreter im Hotel Atlantic in Hamburg trafen, fiel der offizielle Startschuss für das Kennzeichen ASC auf dem deutschen Markt. ASC steht für Aquaculture Stewardship Council, einer gemeinnützigen Organisation, die Fischfarmen in aller Welt von unabhängigen Gutachtern zertifizieren lässt.

Vor nicht einmal drei Jahren haben die Umweltstiftung WWF und die niederländische Initiative für nachhaltigen Handel IDH das ASC-Büro aus der Taufe gehoben. Es folgt ähnlichen Mechanismen wie das MSC, das den nachhaltigen Fang von Seefischen zertifiziert. Letzteres geht auf eine Initiative des WWF und des Unilever-Konzerns im Jahr 1997 zurück - 55 Prozent der Verbraucher kennen nach MSC-Angaben das Meeresfischlogo.

Das ASC-Zeichen soll nun eine ähnliche Karriere machen. Zunächst können sich Farmen, die die Süßwasserfische Pangasius (eine Welsart) oder Tilapia (ein Buntbarsch) großziehen, mit dem türkisfarbenen ASC-Logo adeln lassen. "Wir haben uns zunächst die Spezies mit den größten ökologischen und sozialen Auswirkungen ausgesucht", sagte ASC-Geschäftsführer Chris Ninnes auf dem Fischwirtschaftsgipfel. "Daraus entstehen allgemeingültige Grundlagen, die wir für weitere Standards nutzen können."

Noch dieses Jahr werden ASC-zertifizierte Forellen und Muscheln (Venusmuscheln, Miesmuscheln, Austern, Kammmuscheln) auf den Markt kommen, und auch für den Lachs werde gerade an den Standards gearbeitet.

"Es wird höchste Zeit, dass Aquakulturen nachhaltig gestaltet werden", sagte André Nikolaus mit Blick auf das Wachstum der Fischfarmen - mit einem jährlichen Plus von durchschnittlich 8,8 Prozent ist die Aquakultur der wachstumsstärkste Bereich der Lebensmittelindustrie. Nikolaus ist der stellvertretende Chefredakteur des "Fischmagazins", das das Branchentreffen organisierte.

Die ASC-Zertifizierung von Pangasius bildete einen Themenschwerpunkt. Der Wels, der weißes, relativ geschmackarmes und grätenfreies Fleisch liefert, machte im vergangenen Jahrzehnt eine steile Karriere. In Deutschland belegt er Platz fünf unter den meist verspeisten Fischen, hinter Alaska-Seelachs, Hering, Lachs und Thunfischen. Der plötzliche Appetit auf Pangasius in den westlichen Industrieländern bescherte dem Entwicklungsland Vietnam einen Exportboom: Zwischen 2001 und 2011 stieg die Pangasiusproduktion von 150.00 Tonnen auf 1,3 Millionen Tonnen. Das ging nicht ohne Spuren ab: Die schnell wachsenden Fische aus dem Mekongdelta kamen durch hohen Antibiotika-Einsatz bei viel zu hoher Fischdichte, wegen Wasserverschmutzungen durch Nährstoffe und Pestizide in Verruf. Als Folge brach der Absatz auf dem deutschen Markt um 20 Prozent ein.

ASC soll nun helfen, verloren gegangenes Verbrauchervertrauen zurückzugewinnen. Produzenten, die sich zertifizieren lassen wollen, dürfen Medikamente nur gezielt gegen aufgetretene Erkrankungen einsetzen, müssen während der Zucht eine geringe Sterblichkeitsrate nachweisen und auf gute Wasserqualität achten. Ebenso gilt es zu verhindern, dass Zuchtfische aus den Teichen oder Käfigen ausbrechen und die wilde Verwandtschaft etwa im Mekong beeinträchtigen. Zudem werden derzeit Anforderungen an das Fischfutter erarbeitet; entsprechende Standards sollen Ende 2015 verfügbar sein.

Die ASC-Kriterien sind so gesetzt, dass möglichst viele Farmen die Chance haben, sich auf den Zertifizierungsprozess einzulassen. Dass sie für die vietnamesischen Produzenten eine große Herausforderung darstellen, betonte Phan Anh Tuan, stellvertretender Fischereidirektor im vietnamesischen Landwirtschaftsministerium: "Es ist ein sehr komplizierter Prozess mit harten Standards. Wir arbeiten daran, dass unsere Produzenten die Anforderungen besser verstehen."

Der WWF spricht von einer "Kompromisslösung aller Interessengruppen". Das Zeichen sei deshalb kein "Premiumlabel" wie etwa das Logo des Bio-Anbauverbandes Naturland für Zuchtfische. Greenpeace-Meeresbiologin Dr. Iris Menn lehnt das neue Ökozeichen aus einem Grund sogar gänzlich ab: Bislang ließen die Kriterien zu, dass ASC-Fische gentechnisch verändertes Futter erhalten.

Der Handel freut sich dagegen auf das neue Nachhaltigkeitslabel. "Wir warten sehnsüchtig, dass wir mehr Anbieter bekommen, die ASC-Produkte liefern können", sagte etwa Karolina Otto, Nachhaltigkeitsbeauftragte des Metro-Konzerns.