Ausgeklügelte Technik macht den leistungsfähigsten Rechner so genügsam. Forscher testen noch effizientere Ansätze.

Jülich. Im Forschungszentrum Jülich wird am heutigen Donnerstag Europas leistungsfähigster Supercomputer eingeweiht. Der JuQueen genannte Rechner schafft bis zu 5,9 Petaflops, also rund sechs Billiarden Rechenschritte pro Sekunde. Diese gewaltige Rechenkraft wird zahlreichen Forschungsprojekten zugutekommen. Quantenphysiker, Klimawissenschaftler, Material- und Energieforscher werden von JuQueen ebenso profitieren wie Ingenieure, die etwa leisere Turbinen für Flugzeuge entwickeln wollen.

JuQueen wird auch eine wichtige Rolle im "Human Brain Project" spielen. Wissenschaftler aus 23 Ländern haben sich das Ziel gesetzt, das menschliche Gehirn durch einen Computer zu simulieren. Dafür hat die Europäische Union jüngst eine halbe Milliarde Euro Fördergeld für die nächsten zehn Jahre in Aussicht gestellt.

JuQueen hat eine elektrische Leistungsaufnahme von zwei Megawatt - so viel wie 20.000 Glühbirnen à 100 Watt. Und doch sei dieser Rechner "besonders energieeffizient", sagt Prof. Thomas Lippert, der das Jülich Supercomputing Centre leitet. Pro eingesetztem Watt liefere der Rechner zwei Milliarden Rechenschritte in der Sekunde.

In JuQueen kommen spezielle Chips zum Einsatz, die langsamer getaktet sind, aber eine größere Zahl von Rechenkernen enthalten. Der Grund: Der Energieverbrauch eines Supercomputers wächst stärker als das Quadrat der Chipleistung. Eine doppelt so hohe Taktrate führt also zu mehr als dem vierfachen Energieverbrauch. Da lohnt es sich, mehr Rechenleistung nicht unbedingt über eine Steigerung der Taktrate zu gewinnen, sondern durch eine Erhöhung der parallel arbeitenden Rechenkerne. 458.752 solcher Cores arbeiten im Superrechner JuQueen.

In jedem Chip befinden sich 16 Rechenkerne; je 32 Chips sind auf einer Platine, dem Board, über Kupferleitungen miteinander verbunden. Die Boards hingegen kommunizieren über optische Fasern; sie tauschen also Daten per Licht aus. Das ist wesentlich energieeffizienter als die Datenübertragung per Kupfer. "Insgesamt ist JuQueen um einen Faktor vier energieeffizienter als vergleichbare Rechner der vorherigen Generation", sagt Lippert.

Doch die großen Herausforderungen für die Betreiber von Rechenzentren kommen erst noch. Der Bedarf an Rechenleistung wird weltweit dramatisch steigen, und zwar nicht nur in der Wissenschaft, sondern insbesondere auch bei Dienstleistungen rund um das Internet. Jede Anfrage bei Google, jede Twitter-Botschaft und jedes Agieren in einem sozialen Netzwerk setzt Rechenleistung und Speicherplatz in großen Rechenzentren voraus. Schon heute haben einige, allerdings weitaus weniger effiziente Supercomputer eine Leistungsaufnahme von 200 Megawatt und müssen deshalb an Flüssen gebaut werden, damit ihre gewaltige Abwärme abgeführt werden kann.

Experten des Freiburger Öko-Instituts haben errechnet, dass das Internet allein durch seinen Stromverbrauch mittlerweile ebenso viel Kohlendioxid freisetzt wie der gesamte Flugverkehr auf diesem Planeten. Dabei werden etwa für eine einzige Google-Anfrage im Durchschnitt nur 0,0003 Kilowattstunden benötigt. Mit dieser Energiemenge könnte man eine Energiesparlampe gerade mal eine Minute lang betreiben. Doch die große Menge der Internetaktivitäten macht es eben.

"In den Industrienationen wird schon heute rund fünf Prozent der gesamten Stromproduktion für die Rechenleistung von Computern und deren Netzwerken benötigt", sagt Prof. Dieter Bimberg, Direktor des Zentrums für Nanophotonikan der TU Berlin. Und der Bedarf an Rechenleistung wird in den kommenden Jahren dramatisch wachsen. Von 2020 an werden die Supercomputer der nächsten Generation eine Rechenleistung im Exaflop-Bereich bieten - das entspricht dann 10{+1}{+8} Rechenoperationen in der Sekunde. Bimberg rechnet vor, dass - basierend auf dem heutigen Stand der Technik - diese Computer eine Leistungsaufnahme von mehr als einem Gigawatt haben würden. Das entspricht dem Output eines mittleren Kernkraftwerks.

Diesen absurd hohen Energieverbrauch wollen die Forscher durch die Entwicklung neuer technologischer Konzepte vermeiden. Dabei sei weniger der Energiebedarf der Prozessoren das Problem, erläutert Bimberg, sondern vielmehr der Energieaufwand für die Kommunikation der Prozessoren und Speicher untereinander sowie mit der Außenwelt. "Das Verarbeiten eines Bits in einem Prozessor benötigt eine Energie von weniger als einem Billionstel Joule", sagt Bimberg, "doch die Übertragung eines Bits etwa vom Prozessor in einen Speicher oder zu einem anderen Prozessor kostet zehn Billionstel Joule. Es wird also entscheidend auf eine Verbesserung der Energieeffizienz beim Datenaustausch innerhalb eines Supercomputers ankommen." Die Energieeinheit Joule ist gleichbedeutend mit einer Wattsekunde.

Bis 2005 waren noch alle Computer intern elektrisch verdrahtet. Für Bimberg markiert dieses Jahr eine Zeitenwende. Seitdem haben die 1000-mal energieeffizienteren optischen Datenverbindungen Eingang in die Großrechner gefunden. Doch weil mit steigender Rechenleistung der energetische Aufwand für den internen Datenaustausch noch sehr viel stärker wachsen wird, würde im Jahr 2020 rund 80 Prozent des Energieverbrauchs eines Superrechners auf die optischen Verbindungen entfallen - es sei denn, man entwickelt neue, noch weit effizientere Technologien. Genau das versucht das Forscherteam von Dieter Bimberg.

Einen Teil der Lösung des Energieproblems bei den Chip-zu-Chip-Verbindungen in Superrechnern will der TU-Forscher durch sogenannte Freistrahloptiken erreichen. Damit ist gemeint, dass direkt auf den Prozessorchips winzige Metall-Halbleiter-Laser mit einem Durchmesser von weniger als einem Mikrometer integriert werden. Diese Laser, von denen sich auf jedem Chip viele in einem Array anbringen lassen, strahlen ihr Licht frei in den Raum. Es kann dann von Sensoren auf den gegenüber liegenden Bauteilen aufgefangen werden. Natürlich muss dazu "Sichtkontakt" bestehen. Diese Laser würden auf vielen verschiedenen Wellenlängen arbeiten und damit Daten parallel übertragen können. "Je Wellenlänge ist die Übertragung von einer Billion Bit pro Sekunde mit dieser Technik locker möglich", sagt Bimberg. Und wenn sich der Energiebedarf noch um einen Faktor zehn senken lässt, könnte man wohl die nächste Generation von Supercomputern mit einem noch vertretbaren Energieverbrauch von 20 bis 25 Megawatt betreiben. Doch bis dahin ist es noch einer weiter Weg.

Angesichts der mittelfristig wohl eher steigenden Energiekosten könnte bei der nächsten Generation von Supercomputern die Frage der Effizienz zur Schicksalsfrage für eine vom Internet abhängige Welt werden. Gelänge es trotz neuer Technologien nicht, die Energiekosten in etwa auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren, dann könnten plötzlich zahlreiche Business-Modelle ins Wanken geraten. Ab einem gewissen Punkt ließe es sich dann wohl nicht vermeiden, die gestiegenen Kosten auf die Nutzer umzulegen.