Laut einer neuen Analyse könnte es auf vielen Planeten in der Milchstraße theoretisch schon länger Lebewesen geben als auf der Erde.

Cambridge. Vielleicht sind wir doch nicht so allein im All wie wir dachten. Laut einer neuen Analyse zufolge wimmelt es in der Milchstraße nur so vor erdähnlichen Planeten. Selbst in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft sollte es solche Welten geben. Das schließen Forscher des Harvard-Smithsonian-Zentrums für Astrophysik (CfA) aus einer Analyse von Daten des Weltraumteleskops «Kepler» der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Das Team um Courtney Dressing stellte seine Untersuchung am Mittwoch im US-amerikanischen Cambridge vor.

«Wir haben immer gedacht, wir müssten unermessliche Entfernungen durchkämmen, um auf einen erdähnlichen Planeten zu stoßen», betonte Dressing in einer Mitteilung ihres Instituts. «Jetzt erkennen wir, dass eine weitere Erde wahrscheinlich schon in unserer kosmischen Nachbarschaft darauf wartet, entdeckt zu werden.»

Die Wissenschaftler hatten in den Daten des Planetenjägers «Kepler» nach roten Zwergsonnen mit Planeten gesucht. Rote Zwerge sind der häufigste Sterntyp in unserer Galaxie: Sie stellen rund drei von vier Sternen in der Milchstraße. Das Team um Dressing hatte alle 158 000 von «Kepler» ins Visier genommenen Sterne analysiert und dabei 95 Planeten-Kandidaten bei Roten Zwergen identifiziert - darunter drei etwa erdgroße mit einer Temperatur, die flüssiges Wasser ermöglicht. Flüssiges Wasser ist eine Grundvoraussetzung für Leben, wie wir es kennen.

Die Forscher gehen jedoch davon aus, dass sie mit «Kepler» bei weitem nicht alle Planeten bei den untersuchten Sternen entdeckt haben. Das Teleskop kann nur die direkt vor den Sternen vorbeiziehenden Planeten anzeigen. Eine Hochrechnung ergibt, dass etwa sechs Prozent aller Roten Zwerge erdähnliche Planeten besitzen, wie die Gruppe im Fachblatt «The Astrophysical Journal» schreibt. Bei mindestens 75 Milliarden Roten Zwergen in der Milchstraße wären das 4,5 Milliarden erdähnliche Planeten in unserer Galaxie. Der nächste davon ist demnach in nur 13 Lichtjahren Entfernung zu erwarten. Zum Vergleich: Die Milchstraße hat einen Durchmesser von rund 100 000 Lichtjahren.

Diese Welten würden sich stark von unserer unterscheiden, meinen die Astronomen. Denn Rote Zwerge sind deutlich kühler als unsere Sonne. Entsprechend müssen Planeten sie sehr viel dichter umkreisen, um sich in der sogenannten bewohnbaren Zone zu befinden, wo Wasser flüssig wäre. In so geringer Entfernung würden Planeten in der Regel jedoch eine gebundene Rotation um ihren Stern ausführen, ihm also stets dieselbe Seite zukehren - so wie der Mond der Erde.

Das würde nach Ansicht der Forscher die Chancen auf Leben jedoch nicht schmälern. «Man braucht keinen Erdenklon, um Leben zu ermöglichen», betonte Dressing. Eine dichte Atmosphäre oder ein tiefer Ozean könnten etwa die Wärme über den ganzen Planeten verteilen.

«Wir kennen jetzt die Häufigkeit von bewohnbaren Planeten bei den häufigsten Sternen unserer Galaxie», erläuterte CfA-Koautor David Charbonneau. «Diese Häufigkeit legt nahe, dass es deutlich leichter sein wird, nach Leben jenseits unseres Sonnensystems zu suchen, als wir zuvor gedacht haben.» Da Rote Zwerge viel älter werden als unsere Sonne, könnte das Leben auf ihren Planeten sogar weiter entwickelt sein als bei uns, spekulieren die Forscher. Hinweise auf extraterrestrisches Leben haben sie allerdings nicht gefunden.

Bereits Anfang dieses Jahres hat ein Team um Geoff Marcy von der Universität von Kalifornien in Berkeley nach der Auswertung von «Kepler»-Daten ähnliche Ergebnisse vorgestellt: Vermutlich besitze ungefähr jeder zweite Stern der Milchstraße in etwa erdgroße Planeten, die ihren Heimatstern in maximal derselben Entfernung umkreisten wie die Erde die Sonne, berichtete die Gruppe am 8. Januar auf der Jahrestagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft (AAS). Das bedeute nicht zwangsläufig, das es auf einem dieser Planeten Leben gebe.