Unterricht über das Internet ist günstig und flexibel. Er hat aber auch Nachteile: Die zunächst große Distanz zwischen Lehrer und Schüler.

Hamburg. Nicht der Stoff sei das Problem, sondern seine Motivation, sagt Alec: "Ich kann nicht gut selbstständig lernen. Ich brauche jemanden, der mich in den Hintern tritt." Das meint der 18-Jährige aus Norderstedt natürlich im übertragenen Sinn. Er muss sich aber auch keine Sorgen machen, dass seine Nachhilfelehrer zur Tat schreiten, denn die beiden arbeiten weit weg, irgendwo in Deutschland. Verbunden sind sie mit ihm über das Internet. Alec besucht eine Handelsschule, im April will er seinen Abschluss machen. Damit seine Noten besser werden, setzt er sich drei- bis fünfmal pro Woche abends vor den Computer, schaltet seine Webkamera ein, öffnet Skype, das populärste Programm für Internettelefonie, und ruft Klaus-Rüdiger an, einen Ingenieur, der ihm in Mathe und Rechnungswesen auf die Sprünge hilft, oder Svenja, eine angehende Lehrerin, die ihn in Deutsch und Englisch unterrichtet. "Einfach cool" findet Alec die neue Lernform, "spannender" als die klassische Nachhilfe, die er ein Jahr lang genommen habe. "Ich habe jetzt wieder mehr Lust zu lernen."

Angebote für Online-Nachhilfe gibt es mittlerweile reichlich: Schon bei einer kurzen Internetrecherche sind mehr als ein Dutzend Anbieter zu finden. Bei einigen handelt es sich um etablierte Firmen, die seit Jahren klassische Nachhilfe anbieten und nun auch auf dem noch Markt des E-Learnings Fuß fassen wollen. Die Vorteile von Online-Nachhilfe liegen auf der Hand: Lästige Anfahrten zum Nachhilfeinstitut entfallen, der Unterricht lässt sich leichter einteilen: Er kann viermal pro Woche stattfinden - etwa zur Vorbereitung einer Klausur - und dann wieder in größeren Intervallen, mal nachmittags, mal abends. Alec erzählt, er sei nicht mehr zum Sport gekommen, als er noch klassische Nachhilfe nahm, jetzt sei er flexibler.

Für viele Eltern dürfte auch relevant sein, dass Online-Nachhilfe in der Regel deutlich günstiger ist. Die Preise unterscheiden sich allerdings zwischen den Anbietern erheblich, abhängig offenbar von der Qualifikation der Lehrkräfte: 7,50 bis zehn Euro für 45 Minuten berechnet etwa der Münchner Anbieter NoteEins für seine Online-Nachhilfe - neun bis zwölf Euro kostet die stationäre Variante, die allerdings nur in München und Rosenheim zu haben ist. Als Lehrer setzt das Unternehmen Schüler ab der 10. Klasse und Studenten ein. 16 bis 18 Euro für 45 Minuten kostet die Online-Nachhilfe bei der Studienkreis GmbH, die auch Alec zu ihren Kunden zählt - 30 Euro sind für den Einzelunterricht zu Hause zu bezahlen, acht bis 13 Euro für 45 Minuten in einer Gruppe. Die Lehrkräfte sind Studenten, pensionierte Lehrer und Praktiker aus der Wirtschaft. Nur Akademiker mit Lehrerfahrung setzt die Hamburger Firma Lernkraftwerk ein. Eine Stunde Online-Nachhilfe kostet 15 bis 22 Euro, für Einzelunterricht in einer Hamburger Niederlassung sind 24 bis 32 Euro zu bezahlen.

Noch nutzen die neue Dienstleistung wohl erst wenige Schüler. Die Studienkreis GmbH, die nach eigenen Angaben bundesweit pro Jahr 65.000 Kinder und Erwachsene unterrichtet, möchte zum Anteil der Online-Nachhilfe keine Angaben machen; Lernkraftwerk teilt mit, zehn Prozent ihrer Schüler nähmen Online-Nachhilfe in Anspruch. Dennoch rühren einige Anbieter kräftig die Werbetrommel. Die Studienkreis GmbH etwa hat bei dem Hamburger Marktforschungsinstitut mafo.de eine Umfrage in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse heute veröffentlicht werden. Demnach gaben 58 Prozent von fast 200 befragten Schülern, die stationäre Nachhilfe nehmen, an, dass ihnen Nachhilfe auch online Spaß machen würde. 48 Prozent würden dadurch noch stärker motiviert werden zu lernen, heißt es in der Veröffentlichung, die zu dem Schluss kommt: "Digital lernt es sich besser." Alecs Beispiel scheint diese Behauptung zu bestätigen: Nach zwei Monaten Online-Nachhilfe habe er sich in Mathematik von einer Drei auf eine Eins verbessert, in Rechnungswesen von einer Vier auf eine Zwei, erzählt der Schüler.

Unabhängige Experten plädieren für eine differenzierte Sichtweise. Zur Wirkung von Online-Nachhilfe gebe es bisher keine ernst zu nehmenden Studien, sagt Rudolf Kammerl, Professor für Medienpädagogik an der Universität Hamburg. Recht gut erforscht seien aber bereits die Wirkungen von digitalen Medien im Unterricht, etwa Netbooks und Tablets, und von Online-Lernplattformen, auf denen der Stoff mithilfe von Videos, Grafiken und interaktiven Tests erklärt und vermittelt wird. "Es kann Schüler durchaus motivieren, wenn sie auch mit digitalen Medien lernen", sagt Kammerl. "Diese Art des Lernens stellt an sich aber noch keine Verbesserung dar, es kommt immer auch auf die Inhalte an und darauf, wie der Lehrer digitale Medien einsetzt."

Ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Nachhilfe - ob stationär oder online - sei die Beziehung, das Vertrauensverhältnis zwischen Schüler und Lehrer. Hier habe Nachhilfe, die nur online stattfinde, Nachteile, sagt Kammerl: "Bei einer Skype-Verbindung können sich Schüler und Lehrer zwar sehen und hören, aber sie können sich nur schwer direkt in die Augen schauen, Mimik und Gestik sind nur eingeschränkt wahrnehmbar. Es bleibt immer bei einer gewissen Distanz." Ingo Kriebisch, Leiter des Referats Medienpädagogik am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung der Stadt Hamburg, meint zwar auch, dass Online-Nachhilfe motivierend sein kann, allerdings sei bei dieser Lernform wohl "die Gefahr größer, dass sich der Schüler ablenken lässt und weniger konzentriert lernt, weil niemand neben ihm sitzt".

Bisher deuteten Studien darauf hin, dass sich die größten Erfolge durch sogenanntes Integriertes Lernen (Blended Learning) erzielen ließen, also durch eine Kombination aus stationärem und digitalem Lernen, sagen die beiden Experten. "Ich halte Online-Nachhilfe durchaus für sinnvoll, wenn sie genau auf die Bedürfnisse und das Leistungsniveau des Schülers abgestimmt ist. Aber ich würde sie nicht alleine, sondern nur in Kombination mit stationärer Nachhilfe empfehlen", sagt Rudolf Kammerl. Mark Sebastian Pütz, Leiter der Online-Nachhilfe beim Studienkreis, glaubt, dass auch bei Online-Nachhilfe allein ein Vertrauensverhältnis entstehen kann. "Es ist sicherlich eine gewisse Anlaufzeit nötig, aber nach einer Weile vergisst der Schüler die räumliche Trennung. Wenn man dem Unterricht dann zuhört, hat man den Eindruck, als säßen Schüler und Lehrer nebeneinander."

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