Der Herzbericht 2011 zeigt neue Entwicklungen bei Erkrankungen und Therapien. Auffällig sind regionale Unterschiede bei den Sterberaten.

Berlin. Immer weniger Menschen in Deutschland sterben an einem Herzinfarkt. Dafür steigt die Zahl anderer Herzkrankheiten, wie aus dem am Dienstag in Berlin vorgestellten Herzbericht 2011 hervorgeht. Hamburg weist dabei die geringste Herzinfarkt-Sterberate im Bundesvergleich auf: In der Hansestadt starben nach Angaben des Berichts im Jahr 2010 nur 53 Personen auf 100.000 Einwohner an einem Infarkt. Schleswig-Holstein folgt in der Statistik kurz dahinter mit 57 Personen. Das Bundesland mit der durchschnittlich größten Anzahl an Infarkt-Toten war Sachsen-Anhalt mit 111.

Die Ursachen für die länderspezifischen Unterschiede sind unklar. Wahrscheinliche Ursachen für schlechtere Werte sind eine regionale Unterversorgung der Patienten, ein weniger effektives Notarztsystem, längere Prähospitalzeiten und ein niedrigerer Informationsstand der Bevölkerung aufgrund ungünstiger sozioökonomischer Bedingungen, so die Autoren des Berichtes.

Das Herz stellt die Medizin gleich vor mehrere große Herausforderungen: Nicht nur, dass dieses lebenswichtige Organ bei zunehmend mehr Deutschen erkrankt. Es ist darüber hinaus auch noch so komplex, dass für die passende Behandlung meist gleich mehrere Experten zurate gezogen werden müssen. Gerade weil die einzelnen Disziplinen so oft ineinandergreifen, kommen auch im Herzbericht 2011 alle von ihnen zu Wort. Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DKG), der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) hat die Deutsche Herzstiftung diesen Bericht erarbeitet. Das Ziel sei gewesen, die Versorgung von Herzpatienten in Deutschland weiter zu verbessern.

Die Auswertungen zeigen: Bereits vor drei Jahren gab es eine positive Entwicklung. "Die Sterblichkeit bei Herzerkrankungen geht in Deutschland kontinuierlich zurück; auch alte Menschen profitieren zunehmend von den Fortschritten der modernen Kardiologie", kommentierte Georg Ertl, Präsident der DKG, die Datensammlung. Das gilt insbesondere für eine Herzerkrankung, die in den Industrienationen besonders häufig ist: den Herzinfarkt. Immer weniger Bundesbürger sterben an dem Verschluss eines Herzkranzgefäßes. Der Bericht zeigt, dass die Sterbeziffer dafür allein zwischen den Jahren 2000 und 2010 um mehr als 15 Prozent bei den Männern und mehr als 18 Prozent bei den Frauen abgenommen hat.

Weniger erfreulich sind dagegen die Ergebnisse der regionalen Auswertungen. Denn das Risiko, an einem Herzinfarkt zu versterben, ist in den verschiedenen Teilen Deutschlands unterschiedlich groß. Deutlich zeigt sich, dass es noch immer ein Gefälle zwischen den alten und den neuen Bundesländern gibt. Immerhin seien die Unterschiede weiter rückläufig, erläutert DKG-Präsident Ertl: "Es ist festzustellen, dass sich die kardiologische Versorgungssituation in den neuen Bundesländern dem Niveau der alten Bundesländer immer mehr angleicht."

Zu den wichtigsten Behandlungsmaßnahmen von Herzkranzgefäßverengungen gehört schon lange der Herzkatheter. Doch obwohl das Durchschnittsalter der Deutschen weiter ansteigt und damit auch Herzgefäßerkrankungen weiter zunehmen, werden weniger diagnostische und therapeutische Maßnahmen im Herzkatheterlabor durchgeführt. Zwischen 2010 und 2011 ging sowohl die Anzahl von Linksherzkatheter-Untersuchungen als auch die Anzahl von Kathetereingriffen um mehr als drei Prozent zurück.

"Möglicherweise können Herzerkrankungen dank der verbesserten Diagnostik mittlerweile früher entdeckt und mit anderen Mitteln - beispielsweise mit Herzmedikamenten - behandelt werden, sodass später keine invasiven Maßnahmen mehr nötig sind", erklärte Eckart Fleck von der DGK. Auch ein alternatives Behandlungsverfahren, die Bypass-Operation, ist innerhalb der vergangenen Jahre zurückgegangen. Die Herzchirurgen führen diese Entwicklung auf einen Anstieg von Stentimplantationen zurück.

Immer mehr Patienten würden sich demnach für einen weniger invasiven Eingriff entscheiden - zumindest wenn sie das auch können. Denn es gebe auch einige Krankheitssituationen, in denen die Bypass-Operation dem Herzkatheter vorzuziehen sei. Sind gleich mehrere Herzkranzgefäße verengt, dann liefere der Bypass die besseren Ergebnisse gegenüber dem Einsatz eines Stents. Tatsächlich nehmen die Bypass-Operationen gerade bei solchen Herzpatienten immer weiter zu - mit erfreulichen Ergebnissen. "Obwohl die Patienten immer kompliziertere Verengungen der Herzkranzgefäße und deutlich mehr Begleiterkrankungen haben, ist die Sterblichkeit konstant auf niedrigem Niveau geblieben", sagte Jochen Cremer von der DGTHG.

Während die Operationen an den Herzkranzgefäßen reduziert werden, nehmen die Operationen an einer anderen Stelle des Herzens jedoch weiter zu. 2011 wurden mehr Aortenklappen eingesetzt als noch ein Jahr zuvor. Die Herzchirurgen führen diese Entwicklung vor allem auf die immer älter werdende Gesellschaft zurück. Herzklappen würden mit den steigenden Lebensjahren einfach so sehr beansprucht, dass sie irgendwann ihren Dienst versagen würden.

Doch nicht alle Klappeneinsätze haben gleichermaßen zugenommen. Denn mittlerweile werden mehr biologische Klappen aus Schweine- und Rindergewebe als mechanische eingesetzt. Während 2011 nur rund 1700 Patienten einen mechanischen Aortenklappenersatz erhielten, bekamen knapp 10.000 Patienten eine biologische Aortenklappe. Biologische Klappen erfordern nämlich keine dauerhafte Einnahme von Blutverdünnern, halten dabei aber nicht so lange wie die mechanischen Herzklappen. Bei der chirurgischen Behandlung undichter Mitralklappen konnten die Operateure in zwei Dritteln der Fälle (bei mehr als 5500 Patienten) die Herzklappe rekonstruieren und so einen Austausch vermeiden.