Mediziner der Asklepios Klinik Altona erproben ein Verfahren aus den USA, das die Schlüssellochchirurgie weiterentwickelt hat.

Hamburg. Die Diagnose Nierenkrebs bedeutet immer: Der Patient muss operiert werden. Das ist bereits mit modernen Methoden der Schlüssellochchirurgie möglich, sodass große Hautschnitte nicht mehr nötig sind. Durch winzige Schnitte führt der Operateur die Instrumente in den hinteren Bauchraum ein und kann damit den Tumor aus der Niere entfernen. Allerdings muss dafür der Hauptast der Nierenarterie abgeklemmt werden, damit es nicht zu starken Blutverlusten kommt und die Chirurgen das Operationsfeld gut überblicken können.

Diese Methode hat einen Nachteil: Nach 20 Minuten muss die Klemme wieder gelöst werden, weil sonst durch die Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr Nierengewebe zugrunde geht. In diesen 20 Minuten muss der Operateur den Tumor entfernen und alle Blutgefäße vernähen - ein Verfahren, was besonders bei großen Tumoren schnell an seine Grenzen stößt.

Urologen an der Asklepios Klinik (AK) Altona wenden jetzt eine neue Technik an, die der amerikanische Urologe Inderbir S. Gill von der Universität von Südkalifornien entwickelt hat. "Bei dieser sogenannten Zero Ischemia Technik werden nur die Arterien in der Niere verschlossen, die den Tumor versorgen. So bleibt genug Zeit, um den Krebs sicher zu entfernen, und der Rest der Niere wird durchblutet und geschont", erklärt Prof. Christian Wülfing, Chefarzt der Urologie an der AK Altona. Er hat in seiner Klinik einen Schwerpunkt für die minimal invasive Operation von Nierentumoren, bei denen nur ein Teil der Niere entfernt wird. "Das bedeutet für den Patienten schnellere Erholung, weniger Blutverlust und die schnellere Entlassung nach Hause. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren mehr als 250 minimal invasive Eingriffe bei Patienten mit Nierentumoren durchgeführt und konnten bei über der Hälfte der Fälle die Niere erhalten", sagt Wülfing.

Ob die neue Technik wirklich Vorteile gegenüber der herkömmlichen Methode bringt, wollen er und seine Kollegen jetzt in einer Studie untersuchen. Dabei werden sie zwei Gruppen bilden: diejenigen Patienten, die herkömmlich operiert wurden und die, die mit der Zero Ischemia Technik behandelt wurden. Einige Wochen nach der Operation wollen die Mediziner bei beiden Gruppen die Nierenfunktion prüfen und miteinander vergleichen. Wülfing: "Dann wird sich zeigen, ob es Vorteile gibt und ob sich der zusätzliche Aufwand lohnt." Denn für die neue Methode brauchen die Ärzte etwa ein halbe Stunde länger als für den herkömmlichen Eingriff, der im Durchschnitt 90 Minuten dauert.

In der Behandlung von Nierenkrebs habe sich ein Paradigmenwechsel vollzogen, sagt Wülfing: "Lange Zeit hieß es: Bei Nierentumoren muss die Niere entfernt werden. Heute versuchen wir immer, die Niere zu erhalten." Das hat verschiedene Gründe: Mittlerweile werden die Tumoren viel früher und häufiger gefunden, sodass sie oft noch klein sind. Zwar sind 90 Prozent aller Nierentumoren bösartig, doch bei kleinen Tumoren besteht auch in 20 bis 30 Prozent die Möglichkeit, dass sie gutartig sind, sodass es falsch wäre, die Niere zu entfernen. Außerdem haben Studien gezeigt, dass die Funktion der gesunden Niere sich bei Tumorpatienten verschlechterte, denen die andere von Krebs befallene Niere komplett entfernt wurde. Nach fünf bis sechs Jahren kam es zu einer Einschränkung der Nierenfunktion. Die Ursache dafür ist unklar." Man wisse aber, dass sich mit einer Einschränkung der Nierenfunktion das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben, um das Zwei- bis Dreifache erhöhe.

Deswegen gilt heute der Grundsatz, die Niere möglichst zu erhalten. Die Operation ist bei Nierenkrebs immer die Behandlung der Wahl. "Die operative Beseitigung führt in über 90 Prozent zur Heilung, wenn der Tumor noch keine Metastasen gebildet hat", sagt Wülfing. Hat der Krebs bereits gestreut (meistens in die Lunge, aber auch in Lymphknoten, Knochen und Leber), wird nach der Operation noch eine medikamentöse Therapie eingesetzt. "Dabei handelt es sich um Mittel, die das Aussprossen von neuen Blutgefäßen verhindern und den Tumor auf diese Weise von der Blutversorgung abschneiden", erläutert Wülfing. Mit dieser Behandlung könne der Krebs zwar nicht geheilt werden, aber die Patienten könnten damit länger überleben, ohne dass ihre Lebensqualität durch starke Nebenwirkungen beeinträchtigt werde.

Andere gängige Krebstherapien wie Bestrahlung oder Chemotherapie wirken bei Nierenkrebs nicht. "Die Chemotherapie hilft nicht, weil die Tumorzellen über kleine Pumpen verfügen, die das Medikament sofort wieder aus dem Innern der Zelle herausschleusen", sagt der Urologe.