Archäologen aus Hamburg und Berlin finden steinzeitliche Feuersteine in Jordanien. Das älteste Stück könnte 100.000 Jahre alt sein.

Umm Qays/Hamburg. Wenn der Wind aus Osten kommt, hört man die Geschütze. Trotz des syrischen Bürgerkriegs, der auch Jordanien bedroht, arbeiten Archäologen aus Hamburg hier, unmittelbar an den Grenzen zu Israel und Syrien. "Als wir mit unseren GPS-Geräten in dem ehemaligen militärischen Sperrgebiet unterwegs waren, wurden wir einmal sogar fast festgenommen, weil uns die Grenzkontrolleure für Spione hielten", sagt Dr. Frank Andraschko, Mitarbeiter am Archäologischen Institut der Universität Hamburg.

Zusammen mit Kollegen der HafenCity Universität und der Orientabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin ist Andraschko in die antike Stadt Gadara mit dem modernen Namen Umm Qays gekommen, um Zeugnisse aus der Jungsteinzeit (7000 v. Chr.) zu finden. Was das zwölfköpfige Team aber bei seiner Arbeit entdeckte, überraschte selbst die erfahrenen Wissenschaftler. "100.000 Jahre ist unser herausragendstes Fundstück - ein Faustkeil- mit einiger Sicherheit alt", sagt Andraschko stolz. An der Schlagtechnik, den Bearbeitungs- und Abnutzungsspuren kann der Ur- und Frühgeschichtler das Alter des steinernen Fundes ablesen. "Man will ja nicht gleich von Sensation sprechen, aber mit Funden aus der Altsteinzeit hat niemand gerechnet." Auch sein Kollege ist begeistert. "Einen so alten Gegenstand in der Hand zu halten, den unsere Vorfahren erschaffen haben, ist schon ein faszinierendes Gefühl", sagt der Vermessungsingenieur Klaus Mechelke von der HafenCity Universität.

Insgesamt 1000 Feuersteinartefakte, Geräte wie Sichel, Bohrer und Kratzer, haben die Forscher in einem Feuersteinbergwerk gefunden. Dass es sich bei dem Areal aus der Jungsteinzeit, wahrscheinlich dem Präkeramischen Neolithikum B um 7000 v. Chr., um ein solches Bergwerk handelte, war bisher noch nicht bekannt. Einzelne Fundstücke daraus gehören zur Gruppe der ältesten Zeugnisse der früheren Kultur der Jäger und Sammler, die bislang in Jordanien gefunden wurden. Tatsächlich hätten die Archäologen keine Ausgrabungen machen müssen, sondern die Artefakte einfach gefunden, so Andraschko. "Das liegt daran, dass im ehemaligen militärischen Sperrgebiet an der Grenze zu Israel und Syrien die Schätze einfach auf dem Boden liegen, denn wenig Menschen haben hier Zutritt." Zwar habe es hier vorher Ackerbau gegeben, aber die Menschen hätten die Steine damals achtlos liegen lassen, so der Archäologe. Am Rande einer fruchtbaren Hochebene, die östlich an das Jordantal und südlich an das Yarmouktal angrenzt, liegt auf einer Hügelkuppe der befestigte hellenistische Siedlungskern Gadaras, 35 Kilometer westlich der Provinzhauptstadt Irbid. In dem dort entdeckten Bergwerk haben die Menschen offenbar schon 7000 v. Chr. Feuerstein, der auch als Flint bezeichnet wird, abgebaut.

Die Funde der Archäologen lassen wichtige Rückschlüsse auf das damalige Leben in diesem Gebiet zu. Besonders die unterschiedlichen Wirtschaftsstrategien der altsteinzeitlichen Jäger- und Sammlergruppen im Übergang zu den Nomaden- und Ackerbaugesellschaften der Jungsteinzeit sollen jetzt in dieser Region erforscht werden.

Als die Jäger und Sammler sesshaft wurden, war ein Feuersteinbergwerk zwar nicht ungewöhnlich, aber die geografische Lage an der Nordgrenze Jordaniens, südlich der Golanhöhen, ist überraschend. "Bisher sind Funde in dieser Region und dieser Datierung kaum bekannt. Die entdeckten Flintartefakte schließen eine wesentliche geografische und chronologische Wissenslücke zwischen Syrien und dem südlichen Jordanien", betonen der Archäologe und die Projektleiterin Dr. Claudia Bührig vom Deutschen Archäologischen Institut. Nun haben die Wissenschaftler auch Höhlen entdeckt, die offenbar in der Steinzeit bewohnt wurden. "In den Höhlen hoffen wir einen bestatteten Homo sapiens oder einen Neandertaler zu finden - dann wissen wir, von wem der Faustkeil ist. Das ist die spannende Frage, da müssen wir unbedingt weiterforschen", fordert Andraschko.

Die Untersuchungen in Gadara sollen zukünftig mit jordanischen Partnern fortgesetzt werden. Außerdem soll der Aufbau von Naturschutzprojekten und kulturtouristischen Informationssystemen im neuen Yarmouk-Nationalpark in Jordanien ausgedehnt werden. "Wir freuen uns über die Zusammenarbeit und arbeiten nun zusammen mit den Naturschützern daran, dass hier auch künftig noch Schätze entdeckt werden können", sagt Andraschko, der seit dem Jahr 2000 an der Nordgrenze Jordaniens arbeitet - immer vier bis acht Wochen am Stück.

Die antike Stadt Gadara und das Naturschutzgebiet sollen nun für die Unesco-Weltkulturerbe-Liste vorgeschlagen werden. Bis das so weit ist, suchen die Hamburger Archäologen weiter nach Schätzen aus dem Sperrgebiet.