Synthtisch hergestellte Drogen sind weiter auf dem Vormarsch. Mehr als 50 neue Drogen wurden allein in diesem Jahr entdeckt.

Berlin. Ständig was Anderes in immer verrückteren Mischungen: Neue Substanzen machen den Kampf gegen die Drogensucht zunehmend komplizierter. Mit bislang mehr als 50 neu entdeckten Stoffen allein in diesem Jahr wird das Angebot an Rauschmitteln größer und größer, wie aus am Donnerstag veröffentlichten Berichten der Deutschen und der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht hervorgeht. In Deutschland werden neue künstlich hergestellte Drogen beliebter: Zuletzt stieg die Zahl der deshalb behandelten Patienten spürbar an.

Sorgen bereiten den Experten etwa Substanzen, die unter dem Namen „legal highs“ vor allem über das Internet vertrieben werden – obwohl sie meist verboten sind. Die Zahl bekannter Internet-Kaufhäuser für diese Drogen stieg auf noch nie zuvor erreichte 693. Diese verkaufen etwa halluzinogene Pilze, meist sind „legal highs“ aber synthetisch hergestellte Drogen. Der Leiter der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, Tim Pfeiffer-Gerschel, warnte explizit vor ihnen: Im Umlauf sei etwa ein Mittel, das ursprünglich zur Betäubung von Nashörnern entwickelt wurde.

Die mehr als 50 neu entdeckten Drogen waren allesamt synthetisch. Abteilungsleiter Roland Simon erläuterte: „Das sind nicht völlig neue Substanzen, sondern Stoffe, die als Forschungschemikalien entwickelt wurden – aber nie entwickelt wurden zum menschlichen Konsum.“ Bereits im vergangenen Jahr waren 49 Substanzen neu entdeckt worden. Beim Verbot solcher neuen Stoffe stoßen die Behörden an ihre Grenzen. Laut der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), ist ein Verbot einer ganzen Gruppe von Substanzen rechtlich nicht möglich.

Dyckmans zeigte sich angesichts der vielen neuen Entwicklungen in den Giftküchen der Welt besorgt, weil hierzulande die Behandlungszahlen von Konsumenten künstlicher Aufputschmittel zunehmen. So gingen 2007 weniger als sieben Prozent der Behandlungen auf diese Patienten zurück, 2011 schon mehr als zehn Prozent. Der Anteil der ambulant erstbehandelten Konsumenten von Aufputschmitteln lag sogar bei 15 Prozent.

Ärzte haben in ambulanten Einrichtungen im vergangenen Jahr mehr als 60.000 mal Menschen nach dem Konsum illegaler Drogen behandelt, 2007 waren es lediglich 40.000. Stationär kamen laut der deutschen Beobachtungsstelle im vergangenen Jahr weitere 8.000 hinzu, hier gab es nur wenige Änderungen im Vergleich zu den Vorjahren. In den Gesamtzahlen fehlen aber einige Einrichtungen, weil nicht alle ihre Daten rechtzeitig zulieferten.

Die meisten Patienten wurden jedoch auch wieder im vergangenen Jahr behandelt, weil sie sogenannte Opioide nahmen – dazu zählt auch Heroin. Fast jede zweite ambulante Behandlung (45 Prozent) ging darauf zurück und jede dritte stationäre (34 Prozent). Insgesamt verzeichnen die Experten aber einen rückläufigen Konsum von Heroin, das zunehmend von neuen Drogen Konkurrenz bekommt.

Derweil verdeutlichte Dyckmans, dass über das Kiffen immer noch zahlreiche Menschen in die Sucht abgleiten. Darum warnte sie auch ihre Partei FDP davor, Cannabis legalisieren zu wollen. Vor drei Wochen hatte der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, eine Legalisierung weicher Drogen gefordert, da ihr Konsum längst auch in der Mitte der Gesellschaft üblich sei. Dyckmans lehnte „jede Form von Bagatellisierung“ ab und unterstrich, Cannabis sei gefährlich. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der wegen Drogenkonsums ambulant Erstbehandelten kam im vergangenen Jahr nach dem Einnehmen oder Rauchen von Cannabis. Etwa jeder Vierte deutsche Erwachsene habe schon einmal gekifft, sagte Dyckmans.

Derweil werden aus Griechenlands und Rumäniens Drogenszene dramatische Zahlen gemeldet: Dort steigt die Zahl der neu mit HIV infizierten Junkies dramatisch an. In Griechenland schnellte die Zahl von den sonst üblichen 9 bis 19 pro Jahr auf 241 im vergangenen Jahr hoch. Obwohl europäische Experten im Einsatz waren und viele Spritzen zusätzlich ausgegeben wurden, blieb die Trendwende laut Roland Simon aus: „Es gibt nach wie vor steigende Infektionszahlen.“