Übermaß an Wasser und Mangel an Sauerstoff führen besonders auf süddeutschen Friedhöfen zu sogenannten Wachsleichen

Osnabrück/Hamburg. Auf deutschen Friedhöfen wird zu viel gegossen. Das stört die Verwesung nach Erdbestattungen und führt zu sogenannten Wachsleichen. Diese unvollständig verwesten Leichen sind vor allem für die Friedhofsmitarbeiter eine psychische Belastung. Über dieses und andere Umweltprobleme auf Friedhöfen berichteten Forscher aus Kiel und Kassel gestern auf einer Fachtagung zu Friedhofsböden bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück.

Auf geschätzt 30 bis 40 Prozent aller 33 000 Friedhöfe in Deutschland können viele Leichen nicht vollständig verwesen. Zu viel Wasser und zu wenig Sauerstoff hindern die Bakterien daran, ihr natürliches Zersetzungswerk zu vollenden. Das körpereigene Fett der Toten wird zu wachsartigen Schichten umgebildet. Es bleibt dann noch nach Jahrzehnten organisches Material übrig, während die menschlichen Körper normalerweise vollständig mineralisieren - von ihnen ist nach der sogenannten Ruhezeit (in Ohlsdorf nach 25 Jahren) höchstens mal ein starker Knochen vom Oberschenkel oder der Schädel zu finden.

Wachsleichen entstehen vor allem auf Ruhestätten in Süddeutschland, wo lehmige und tonige Böden das Wasser nur schwer versickern lassen. Hier hat übermäßige Grabpflege sehr negative Folgen - "zwei Gießkannen à zehn Liter Wasser auf zwei Quadratmeter verteilt - und das Grab steht für zwei bis drei Tage unter Wasser", sagte Prof. Rainer Horn vom Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde in Kiel auf der Tagung. Er empfiehlt, statt saisonale Blütenpflanze lieber Stauden zu setzen. Diese wurzeln tiefer und entziehen dem Boden dadurch mehr Wasser. Zudem müssen sie kaum gegossen werden.

Wer seine Angehörigen auf einem Hamburger Friedhof bestatten ließ, muss sich jedoch nicht sorgen, sagt Lutz Rehkopf, Sprecher des Unternehmens Hamburger Friedhöfe, das die Parkfriedhöfe Ohlsdorf und Öjendorf betreibt. "Auf beiden Friedhöfen haben wir keine Probleme, sie sind sehr gut entwässert. Zwar gibt es in Ohlsdorf Bereiche mit Staunässe, doch dort werden seit 1910 keine Erdbestattungen mehr vorgenommen." Der simple Grund: Wenn dort die 1,60 Meter tiefen Grüfte gegraben wurden, so füllten sich diese im unteren Bereich mit Wasser, sodass keine Särge hinuntergelassen werden konnten. Urnenbeisetzungen sind in den nasseren Bereichen dagegen unproblematisch, für sie reicht eine Tiefe von 60 bis 70 Zentimetern.

Auf anderen Hamburger Friedhöfen herrschten ähnliche Verhältnisse, so Rehkopf. Auch deren meist sandige Böden seien ausreichend entwässert und belüftet. Für die gesamte Metropolregion Hamburg gibt Iris Zimmermann vom Institut für Bodenkunde der Universität Kiel gegenüber dem Abendblatt Entwarnung, hier seien keine Wachsleichen zu erwarten. "Anzeichen von unvollständigen Verwesungen fanden wir nur vereinzelt bei Untersuchungen in Ostfriesland, im Raum Hannover und in Ostholstein."