UKE-Forscher enträtseln den Placebo-Effekt. Gehirn mobilisiert “innere Apotheke“

Hamburg. Tabletten, die nur aus Zucker oder Stärke bestehen und dennoch bei Schmerzen helfen: Forscher des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) haben die Wirkungsweise von Scheinmedikamenten, sogenannten Placebos, untersucht. Dabei entdeckten sie, warum bei manchen Menschen allein der Glaube an ein Medikament ausreicht, um schmerzlindernde Wirkung zu erzielen - auch wenn dieses keinen Wirkstoff enthält.

"Wie gut dieser Placebo-Effekt bei einem Menschen funktioniert, hängt davon ab, wie stark bestimmte Hirnregionen miteinander vernetzt sind. Das können wir in speziellen Kernspinaufnahmen des Gehirns erkennen und daraus Vorhersagen treffen, ob der Placebo-Effekt bei einem Menschen wirkt oder nicht", sagt die Neurologin und Hirnforscherin Ulrike Bingel, die seit Jahren mit ihren Kollegen am Universitätsklinikum Eppendorf den Placebo-Effekt untersucht. Auf dem Deutschen Neurologen-Kongress, der heute in Hamburg beginnt, stellt sie ihre neuen Forschungsergebnisse vor.

Weitere Faktoren, die für die Wirksamkeit des Placebo-Effekts eine Rolle spielen, sind unter anderem die Persönlichkeit eines Menschen, seine erblichen Anlagen oder bereits vorhandene Grunderkrankungen. "Voraussetzung für eine Wirkung ist auch, dass das Gehirn gesund ist", sagt Bingel. Das bestätigen Studien, wonach bei Alzheimer-Patienten der Placebo-Effekt keine schmerzlindernde Wirkung zeigt.

Schon in der Antike wussten die Ärzte, dass manche Kräuter besser wirken, wenn sie von bestimmten Ritualen begleitet werden. Bis vor wenigen Jahren jedoch blieb es ein Mysterium, das dem subjektiven Empfinden eines Menschen zugeschrieben wurde. Doch mit den immer besseren Möglichkeiten der modernen Computertechnologie, die Prozesse im Gehirn bildlich darzustellen, kamen die Hamburger Wissenschaftler auch diesem Geheimnis auf die Spur.

Dabei stellte sich heraus: Der Placebo-Effekt ist mehr als subjektive Wahrnehmung. Wenn jemand fest an die Wirksamkeit eines Medikaments glaubt oder positive Erfahrungen damit gesammelt hat, wird in seinem Gehirn ein schmerzhemmendes System aktiviert, das dafür sorgt, dass Schmerzsignale gar nicht erst im Gehirn ankommen. Gleichzeitig schüttet der Körper selbst "Schmerzmittel" aus, körpereigene Opioide, opiumähnliche Stoffe.

"Die Reaktion auf diese körpereigenen Substanzen im Gehirn lässt sich fast nicht von der unterscheiden, die durch echte Opiate entsteht, die von außen zugeführt werden. Wir haben eine innere Apotheke, die wir über Erwartungen und Vorerfahrungen aktivieren können", sagt Bingel.

Die Hamburger Neurologin fordert: "Wir müssen diese Mechanismen nutzen, um Medikamente wirksamer zu machen, indem wir unseren Patienten eine positive, aber realistische Einschätzung von der Behandlung vermitteln. Das uralte Wissen, dass die Arzt-Patienten-Beziehung eine heilende Kraft hat, muss wieder mehr in den Vordergrund rücken."