Zwei Brunnen des Wasserwerks Stellingen kühlen mit Kälte aus 100 Meter Tiefe das Eismeer und bringen Bewohnern angenehme Temperaturen.

Hamburg. Kühles Trinkwasser erfrischt an heißen Tagen durstige Menschen. Aber es kann noch mehr: Das Rohwasser aus zwei Brunnen des Wasserwerks Stellingen sorgt dafür, dass die polaren Bewohner der Eismeer-Landschaft im Tierpark Hagenbeck für sie angenehme Badetemperaturen von maximal 15 Grad genießen können. Das Wasserwerk grenzt fast an das Tierparkgelände - eine Nachbarschaftshilfe der besonderen Art.

Hamburg Wasser fördert in Stellingen Rohwasser aus zehn Brunnen von 80 bis 180 Meter Tiefe. Zwei von ihnen dienen zusätzlich als Kältelieferanten für das nahe gelegene Eismeer. Sie entnehmen das Wasser aus sogenannten Filterstrecken, die 92 bis 142 Meter beziehungsweise 110 bis 150 Meter unter der Oberfläche liegen. Das geförderte Rohwasser hat eine konstante Temperatur von 11,2 Grad. Damit lässt sich das künstliche Eismeer auch an heißen Sommertagen verlässlich unter 15 Grad halten. "Wir müssen nur eine kurze Distanz von 450 Meter überbrücken. Das macht die Kühlung über die Brunnen so attraktiv", sagt Dr. Christoph Czekalla von Hamburg Wasser.

Direkt neben dem Brunnenhaus wurde ein Wärmetauscher installiert. In ihm fließt das geförderte Rohwasser durch ein Lamellensystem, bevor es in die Aufbereitungsanlage des Wasserwerks fließt. Auf der Kehrseite der Lamellen strömt der "Sicherheitskreislauf" an der vergrößerten Oberfläche entlang und nimmt so die Kälte des Brunnenwassers auf, ohne mit ihm in Kontakt zu kommen. Der Kreislauf transportiert sie zu Hagenbeck. Dort durchströmt das Kreislaufwasser einen zweiten Wärmetauscher im Technikkeller des Eismeeres und gibt die Kälte an das Eismeerwasser weiter. Mit leicht erhöhter Temperatur fließt es dann zum ersten Wärmetauscher im Wasserwerk zurück.

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Der Kreislauf zwischen den beiden Wärmetauschern dient als Sicherheitspuffer, um ausschließen zu können, dass das salzhaltige Eismeerwasser durch irgendeinen Defekt mit dem Rohwasser in Kontakt kommen kann. Das Wasser in dem zwischengeschalteten Kreislauf enthält keine chemischen Zusätze. Zudem herrscht in den Rohren ein niedriger Druck. Damit ist sichergestellt, dass im Falle eines Lecks am Wärmetauscher im Wasserwerk das Rohwasser in das Kreislaufwasser hineinfließt und nicht umgekehrt.

Der Pumpaufwand im Kreislauf sei überschaubar, sagt Czekalla: "Wir müssen nur den Kälteverlust in den Becken ausgleichen. Dazu brauchen wir kein allzu großes Wasservolumen." 130 000 Liter werden in der Stunde umgewälzt, um das 5,3 Millionen Liter umfassende Eismeer zu kühlen. Den Strombedarf der Pumpe deckt eine Solaranlage. Sie ist Teil des innovativen Energiekonzepts der Eismeer-Kulisse. Zu ihm gehört auch ein sogenanntes Rückkühlwerk für die sieben Grad kalte "Polarluft", die die antarktischen Pinguine atmen. Das Aggregat versteckt sich in einem großen künstlichen Felsblock und kühlt die Außenluft, die in den Pinguin-Trakt einströmt, mit der sieben Grad kalten Abluft. "Wir versuchen, unsere modernen Anlagen, etwa auch das Tropen-Aquarium, so nachhaltig wie möglich zu gestalten", sagt Dr. Stephan Hering-Hagenbeck, der die Eismeer-Landschaft konzipiert hat.

Sie ist gut 8000 Quadratmeter groß. Die Wasserflächen nehmen 1200 Quadratmeter ein. "Die Kühlung des Eismeeres mithilfe der Förderbrunnen ist eine ganz neue Art der Geothermie-Nutzung", betont Hering-Hagenbeck. "In anderen Projekten, bei denen Erdsonden zur Kühlung eingesetzt werden, wird im Gegenzug Wärme in den Boden eingeleitet. Das ist nicht unumstritten. Wir nutzen dagegen nur die Kälte, die als Nebenprodukt der Trinkwasserförderung ohnehin anfällt."

Die Verknüpfung von Trinkwasserversorgung und Kältelieferung ist ökologisch ideal. Doch nur selten gebe es so günstige Konstellationen wie jetzt beim Wasserwerk Stellingen und der Eismeer-Anlage, sagt Christoph Czekalla. "Wasserwerke fördern gewöhnlich in Wasserschutzgebieten. Dort arbeiten normalerweise keine Betriebe mit Kältebedarf. Längere Rohrleitungen zu einem weiter entfernten Kunden zu bauen ist teuer und ineffizient."

Idealbedingungen wie in Stellingen finden sich also selten. Eine zweite gibt es am Unternehmenssitz von Hamburg Wasser in Rothenburgsort. Czekalla: "Wir kühlen unseren Rechnerraum und die Küche des Betriebsrestaurants mit Trinkwasserkälte. Die Kältemenge, die wir dabei entziehen, ist minimal angesichts der Tatsache, dass wir von Rothenburgsort die gesamte Hamburger Innenstadt versorgen."

Das Trinkwassernetz erstreckt sich flächendeckend über die Stadt und wäre unter diesem Aspekt ein idealer potenzieller Kältelieferant. Doch davor steht das Gebot, eine gute Trinkwasserqualität zu garantieren. Würde dem Netz an vielen Stellen Kälte entzogen, entstünden zwei potenzielle Risiken: Zum einen könnte das Wasser durch ein Leck in einem der Wärmetauscher verschmutzt werden - die Dichtigkeit wäre aufgrund der Größe des Versorgungsnetzes nur schwer zu kontrollieren.

Zum anderen würde sich die Trinkwassertemperatur im Netz leicht erhöhen. Damit stiege die Gefahr, dass sich Keime vermehren. Die niedrige Temperatur garantiere die "mikrobiologische Stabilität" des Trinkwassers, so Czekalla. "Derzeit gibt es Überlegungen, einen technischen Standard für eine Kühlung über das Trinkwassernetz zu entwickeln. Den Betrieb der Wärmetauscher würden wir auf keinen Fall aus der Hand geben."

Die Kooperation zwischen dem Tierpark Hagenbeck und dem Wasserwerk wird also vorerst seinen Pilotcharakter behalten. Dabei geht es nicht nur um Abkühlung im Sommer. Im Winter funktioniert das Prinzip auch umgekehrt, dann kann das gut elf Grad "warme" Brunnenwasser das Eismeer vor Frost schützen. Czekalla: "Eisbären würden sich vielleicht über Eisschollen freuen, die Technik der Anlage aber sicherlich nicht." Die strengen Wintertage im vergangenen Februar hätten schon gezeigt, dass die an die Oberfläche geförderte Wärmemenge ausreicht, um das Eismeer - anders als bei den natürlichen Vorbildern - eisfrei zu halten.