Verwechslung mit dem Riesen-Bärenklau: Unbekannte zerstören in Hamburg die Engelwurz. Sie kann bis zu drei Meter groß werden.

Hamburg. Sie sind groß, sehr groß sogar: bis zu drei Meter. Sie sind grün. Und sie sind beides Pflanzen aus der Familie der Doldenblütler. Damit hört die Gemeinsamkeit aber auch schon auf. Denn während der Riesen-Bärenklau bei Menschen schwere Verbrennungen hervorrufen kann und deshalb seit Jahren hartnäckig bekämpft wird, ist die Engelwurz eine ungefährliche Heilpflanze. Diesen Unterschied scheinen einige Menschen in Hamburg nicht zu kennen - oder nicht zu achten. Und treten deshalb einfach beide Pflanzen, besonders entlang der Elbe, um.

"Gerade in den vergangenen Wochen war es wieder besonders schlimm", sagt Daniela Wolff. Die Heilpraktikerin und Dozentin für Pflanzenheilkunde kennt viele Standorte beider Pflanzen. "An der Elbe zwischen Övelgönne und Teufelsbrück und an der Außenalster wächst Angelica gut." Angelica archangelica ist der wissenschaftliche Name der Echten Engelwurz. "Die Pflanze ist bei uns heimisch und kommt als sogenannte Stromtalpflanze schwerpunktmäßig entlang von Gewässern vor", erklärt Dr. Hans-Helmut Poppendieck, Vorsitzender des Botanischen Vereins zu Hamburg und Dozent am Biozentrum Klein Flottbek.

Eine Verwechslungsgefahr sehen er und Daniela Wolff höchstens durch die Größe der beiden Pflanzen - "ansonsten unterscheiden sie sich eigentlich sehr", sagt Poppendieck. Und tatsächlich: Während die Blütendolden der Engelwurz kugelig und grün gefärbt sind, sind sie beim Riesen-Bärenklau tellerförmig und weiß. Die Blätter des auch Herkulesstaude genannten Riesen-Bärenklaus sind zudem viel kleinteiliger gezackt (Botaniker sprechen von gefingert), als es bei der Engelwurz der Fall ist. "Die Blätter des Riesen-Bärenklaus sehen schon viel aggressiver aus", sagt Daniela Wolff dazu, als Eselsbrücke. Außerdem kann der Stängel bei der Engelwurz komplett rötlich gefärbt sein, der der Herkulesstaude trägt hingegen meist nur purpurne Flecken an der Basis - dieses kann jedoch variieren und sollte nicht als entscheidendes Merkmal dienen.

"Engelwurz ist eine der stärksten Heilpflanzen, die wir haben", sagt Daniela Wolff, die deshalb glücklich ist, dass das Gewächs auf Hamburger Boden heimisch ist. "Vor allem die Wurzel wird verwendet, aber auch alle anderen Pflanzenteile." Aus früheren Zeiten seien, etwa in Verbindung mit der Behandlung von Tuberkulose oder Cholera, immer wieder Angelica-Rezepturen in der Literatur aufgetaucht. Heute reichen laut der Heilpraktikerin die Anwendungsgebiete von Verdauungsstörungen über Infekte jeder Art bis zur Immunstimulanz.

Ganz anders der Riesen-Bärenklau: Er wurde in vergangenen Jahrhunderten zwar auch verehrt, allerdings aufgrund seiner gewaltigen Erscheinung als Zierpflanze. In Mitteleuropa begann die Ausbreitung der ursprünglich aus dem Kaukasus stammenden Staude nach dem Wiener Kongress 1815, nachdem der russische Zar Alexander I. dem Fürsten Metternich eine große Vase voll Samen des Riesen-Bärenklaus schenkte. Der Fürst ließ ihn hoch erfreut in seiner Sommerresidenz aussäen, und auch Johann Wolfgang von Goethe soll ein großer Liebhaber des Riesen-Bärenklaus gewesen sein, wie Wolff sagt. Und nicht nur der: "Loki und Helmut Schmidt gefiel der Riesen-Bärenklau so sehr, dass sie ihn damals am Kanzler-Bungalow in Bonn anpflanzten", sagt Poppendieck.

Wann und warum wurde die Modepflanze der 1960er-Jahre dann zum gefährlichen Eindringling, den es zu bekämpfen galt? Poppendieck: "In den 1980er-Jahren, als sich die Herkulesstaude raus aus privaten Gärten flächendeckend ausbreitete, begann sich ihre Gefährlichkeit rumzusprechen." Diese entsteht durch ihren Gehalt an Furanocumarinen, sekundären Pflanzenstoffen, die fotoaktiv sind. Das heißt, sie werden durch Sonnenlicht aktiviert. Hat ein Mensch vorher die Pflanze berührt, entstehen so nach 24 bis 48 Stunden schwere Hautentzündungen mit Blasenbildungen, die Verbrennungen dritten Grades gleichen. Gerade für Kinder kann diese sogenannte bullöse Wiesendermatitis gefährlich sein. "Ich habe Menschen gesehen, die bleibende Narben davon behalten haben", sagt Daniela Wolf. Sie kann daher die Angst, gerade bei Eltern, vor der Pflanze verstehen. Ein wahlloses Kaputttreten hingegen findet sie übertrieben.

Hans-Helmut Poppendieck empfiehlt, dass man Riesen-Bärenklau-Pflanzen an öffentlich zugänglichen Standorten, besonders in der Nähe von Kindergärten oder Schulen, entfernt. Poppendieck: "Dazu muss man die Pflanze, am besten noch vor der Blüte, ausgraben. Umtreten bringt gar nichts, dann kommt sie wieder."

Nur Insekten scheren sich nicht darum, was hübsch, heilsam oder gefährlich ist: Sie fliegen auf Doldenblütler, und damit auf Engelwurz und Riesen-Bärenklau gleichermaßen. Für sie gibt es auch kein Unkraut; ein Begriff, mit dem wir Menschen so schnell uns nicht nützliche oder unansehnliche Pflanzen titulieren. Wie sagte es der US-amerikanische Schriftsteller und Philosoph Ralph Waldo Emerson (1803-1882) so schön? "Was ist ein Unkraut? Eine Pflanze, deren gute Eigenschaften noch nicht entdeckt wurden."

Das Bundesamt für Naturschutz bietet umfassende Informationen zum Riesen-Bärenklau und anderen gebietsfremden Pflanzenarten: www.abendblatt.de/wissen-neoflora