2003 forderte eine Hitzewelle Tausende Opfer. Solche Katastrophen drohen häufiger – trotzdem kommen Anpassungsmaßnahmen nur schleppend voran.

Berlin. 70.000 Tote können schnell vergessen sein, selbst wenn sie in Europa gestorben sind. Gerade mal acht Jahre ist es her, dass eine verheerende Hitzewelle den Kontinent überrollte und zeigte, wie wenig vorbereitet unsere Gesellschaft auf solche Folgen des Klimawandels ist. Der hat sich inzwischen noch verschärft und lässt die Gefahr ähnlicher Katastrophen weiter steigen – gleichzeitig hat sich kaum etwas getan, um sich an die globale Erwärmung anzupassen.

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„Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen“, sagt Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Wenn man 2003 gewusst hätte, was zu tun ist, dann hätte man eine ganze Menge Menschen retten können.“ Nicht nur Alte und Kranke – denn es habe auch Opfer gegeben, mit denen keiner gerechnet habe.

Und das Konzept Anpassung als Lebensrettung dürfte künftig noch wichtiger werden, denn der Kampf gegen die Ursachen des Klimawandels lahmt arg: Der CO2-Ausstoß steigt auf Rekordniveau und auch auf dem derzeit tagenden UN-Klimagipfel in Durban ruhen keine allzu großen Hoffnungen.

Zwar sind viele Maßnahmen kein Hexenwerk: Oft reicht es, Menschen rechtzeitig zu warnen und zu sagen, wie sie sich in der aktuellen Situation am besten verhalten. Etwa wie viel sie trinken müssen, welche Medikamente sie aussetzen sollten und ob der Gang vor die Tür schon zu riskant wäre. Trotzdem scheitert vieles in der Praxis.

So hatte der Deutsche Wetterdienst (DWD) als Reaktion auf den Sommer 2003 zwei Jahre später ein Warnsystem entwickelt, um vor allem Altenheime und Krankenhäuser zu alarmieren. Ein wichtiger Schritt - aber aus Sicht des Klimatologen Wilfried Endlicher von der Berliner Humboldt-Universität fehleranfällig, weil das Personal die Informationen nicht immer richtig deute, um die Patienten gegen die Hitze zu schützen. Außerdem würden viele Menschen gar nicht erreicht: nämlich diejenigen, die – oftmals alleine – zu Hause wohnen.

Die Folge: Trotz erhoffter Lehren gab es auch in den heißen Sommern 2006 und 2010 überdurchschnittlich viele Tote in Deutschland. „Das ist etwas, was mich äußerst beunruhigt“, sagt Endlicher, der die Hitzewelle von 2003 als Europas größte Naturkatastrophe seit dem 14. Jahrhundert bezeichnet und ähnlich verheerende Nachfolger befürchtet.

Denn die DWD-Prognosen können zwar nur grobe Vorhersagen treffen - aber die stimmen bedenklich. So könnte es zwischen 2011 und 2040 in Südwestdeutschland im Jahr bis zu 14 zusätzliche Hitze-Tage mit mehr als 30 Grad geben. Das wäre mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zu 1961 bis 1990. Auch PIK-Forscher Gerstengarbe warnt vor neuen Hitzewellen: „Das kann im Prinzip jedes Jahr auftreten.“

Besonders hart dürfte es Menschen in Großstädten treffen. Denn je dichter dort gebaut wird, desto heißer werden gerade die Zentren mit regelrechten Hitzeinseln, die bis zu acht Grad wärmer als das Umland sein können. Weil die Wärme in Stein und Beton gespeichert wird, kühlt es auch nachts kaum ab. Es entsteht Hitzestress, der tödliche Folgen für geschwächte Menschen haben kann.

Das sind zwar nicht nur, aber vor allem Alte und Kranke. Etwa Patienten mit chronischer Bronchitis, erklärt der Lungenspezialist und Berliner Charité-Arzt Christian Witt. Bei den jüngsten Hitzewellen seien die meisten Menschen nicht an Kreislaufkollaps oder Herzinfarkt gestorben, sondern weil die Lunge versagte.

Neben individualisierten Warnsystemen für Risikopatienten fordert Witt deswegen auch ein Umdenken bei der Gebäudeplanung: „Wir müssen uns fragen: Wie sehen die Altersheime, wie sehen die Krankenhäuser der Zukunft aus?“ Am besten weiß, um das Sonnenlicht zu reflektieren und mit viel Schatten durch Bäume. Keine zu großen Fenster, denn die lassen neben Licht auch viel Hitze nach innen. Und vom Baumaterial her gut isoliert gegen Wärme. So stellt sich Klimatologe Endlicher die Gebäude vor. „Auch wenn wir natürlich nicht alle Berliner Dächer über Nacht weiß streichen können.“

Wie groß der Effekt richtiger Stadtplanung sein kann, zeigt eine DWD-Studie für Frankfurt: Wenn bebaute Flächen zu Grünanlagen umgewandelt würden, könne man damit die Zahl zusätzlicher warmer Tage (mehr als 25 Grad) halbieren, sagt Meinolf Koßmann vom DWD. Umgekehrt würde eine noch dichtere Bebauung die Zahl verdoppeln. Beide Effekte wirkten sich auf ein Gebiet von wenigen hundert Metern Radius aus. Koßmanns Folgerung: Mehrere kleinere Parks über die Stadt verteilt dürften einen stärkeren Effekt haben als eine große Grünanlage.

Und für grüne Oasen braucht es nicht viel Platz, wie der Pariser Botaniker Patrick Blanc zeigt: Er macht aus Hauswänden wilde Gärten, indem er tausende Sträucher auf Filzmatten an die Fassaden pflanzt. Weltweit hat er mittlerweile 160 solcher kunstvollen Gärten angelegt.

Das isoliert, filtert Sauerstoff – und sieht auch noch gut aus. Damit der hängende Garten auch noch kühlt, müssten es aber Pflanzen sein, die auch viel Wasser verdunsten, merkt Koßmann an. Und die müssten entsprechend versorgt werden. Nicht jedes grüne Dach habe den gleichen Effekt: „Der verbrannte Rasen im Park kühlt ja auch nicht mehr.“