Ein Medikament soll das Fettgewebe von der Blutversorgung abschneiden. Forscher der University of Texas in Austin hatten schon vor sieben Jahren übergewichtigen Mäusen einen Gewichtsverlust von 30 Prozent beschert.

Austin. Normalerweise ist es nicht gut, wenn man lebendem Gewebe die Blutzufuhr kappt. Denn das bedeutet Sauerstoff- und Nährstoffmangel, und darauf folgt irgendwann der Zelluntergang. Doch Fettgewebe ist nicht unbedingt erwünscht, weswegen hier die Methode des Aushungerns durchaus eine Option sein kann.

Forscher der University of Texas in Austin hatten schon vor sieben Jahren übergewichtigen Mäusen einen Gewichtsverlust von 30 Prozent beschert, indem man den Tieren ein Medikament namens Adipotide verabreicht hatte, das den Fettzellen den Saft abdreht. Jetzt gelang ein ähnliches Kunststück bei Rhesusaffen. Zwar erreichte hier der Gewichtsverlust nur elf Prozent in vier Wochen, doch dafür wurde er bei einem Tier erzielt, dessen Stoffwechsel dem des Homo sapiens sehr ähnlich ist. Studienleiterin Renata Pasqualini ist daher optimistisch, dass Adipotide künftig "auch eine Alternative für den Menschen sein kann".

Für 2012 ist eine Studie an Patienten mit Prostatakrebs vorgesehen, die aufgrund ihrer Hormontherapie zu viel Depotfett angesetzt haben. "Es wird spannend sein, zu beobachten, ob wir den Verlauf ihrer Erkrankung lindern können, indem wir das Übergewicht und die damit verbundenen Gesundheitsrisiken reduzieren", erklärt Co-Studienleiter Wadih Arap.

Arap und Pasqualini sind nicht nur arbeitstechnisch, sondern auch standesamtlich miteinander verbunden. Das Ehepaar arbeitet im gemeinsamen Labor und hat in den vergangenen Jahren auch die grassierende Verspeckung der Wohlstandsgesellschaft im Visier - und beschreitet ungewöhnliche Wege. Getragen wird ihre Strategie von der Erkenntnis, dass Adern - je nachdem, welches Organ sie versorgen - einen eigenen "Charakter" besitzen, der sich auch durch die Struktur ihrer Oberflächenproteine ausdrückt. Wenn es gelingt, diese zu dechiffrieren, kann man Medikamente mit einer speziellen Erkennungssubstanz ausstatten, die gezielt an bestimmten Blutgefäßen andocken und sie zerstören.

Das Forscherpaar hat die Oberflächenstruktur jener Gefäße enttarnt, die das Fettgewebe durchziehen. Als deren typischen Bestandteil fand man ein Eiweiß namens Prohibitin. Auf Grundlage dieser Erkenntnis entwickelten Arap und Pasqualini dann ein Medikament, das aus zwei Teilen besteht. Bei dem einen handelt es sich um ein Peptid, das sich zielsicher mit den typischen Oberflächenproteinen der Fettblutgefäße verbindet und ihnen dadurch eine Art Adressenaufkleber verpasst. Daran kann der zweite Arzneibestandteil erkennen, wo er seine zerstörerische Arbeit zu verrichten hat: Er dringt zu den Zellen der Blutgefäßwände vor und gibt ihnen den Befehl zum konzertierten Selbstmord. Die Blutgefäße veröden - und mit ihnen stirbt das Fettgewebe.

Aufgrund des auf spezielle Blutgefäße geeichten Wirkungsansatzes birgt Adipotide nur ein sehr niedriges Nebenwirkungsrisiko. Die Versuchsaffen blieben aufmerksam und munter, auch schlug ihnen die Therapie keineswegs auf den Appetit. Ihre Nierenfunktionswerte änderten sich zwar ein wenig, doch einige Tage nach Versuchsende waren sie meistens schon wieder normal. Das Körpergewicht hingegen kehrte nicht umgehend zum Ausgangswert zurück. Bei den meisten Tieren setzte sich der Gewichtsverlust bis drei Wochen nach Versuchsende fort, weil der Körper eine gewisse Zeit braucht, bis er die zerstörten Versorgungswege zum Depotfett repariert hat.