Ein Hamburger Forscher erklärt in Zeiten der Frauenfußball-WM, warum die Leistungen der Geschlechter im Sport so unterschiedlich sind.

Hamburg. Männer und Frauen, heißt es in Artikel drei des Grundgesetzes, sind gleichberechtigt. Gleich sind sie nicht. Wären sie es, existierte die Menschheit nicht mehr. Die jetzt während der Frauenfußball-WM in Deutschland gern gestellte Frage "Ist Mann oder doch Frau der bessere Sportler?" wäre dann auch schnell beantwortet, legte man allein Zeiten und Weiten als Kriterien zugrunde. Der Mann, der alte Jäger, der mit Pfeilen und Speeren Nahrung beschaffen musste, hat mehr Muskeln. Er ist kräftiger, schneller, ausdauernder, aggressiver. Andernfalls hätte er in Urzeiten nicht überlebt. Diese körperlichen Vorteile hat er sich im Laufe der Evolution weitgehend bewahrt. Frauen mussten an der heimischen Feuerstelle Kinder und Familie beschützen. Ihre Fähigkeit, ihre soziale Kompetenz, mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen zu können, unterscheidet sie bis heute von Männern.

Welcher Sport ästhetischer ist, liegt wiederum in der Wahrnehmung des Betrachters. "Frauenfußball scheint langsamer zu sein als Männerfußball, manchmal zeitlupenhaft", sagt Klaus-Michael Braumann, "aber darin könnte sein zusätzlicher Reiz liegen, weil man das Spielgeschehen besser nachvollziehen kann." Ähnliches gelte für Tennis und Volleyball. "Frauen bringen mehr Ballwechsel zustande als Männer. Das erhöht die Attraktivität für Zuschauer."

Braumann, 61, ist Professor für Sport- und Bewegungsmedizin an der Uni Hamburg. In den ersten Spielen der Frauenfußball-WM, erzählt er, habe er Tricks und balltechnische Fertigkeiten gesehen, die ihm im Männerfußball bislang nicht aufgefallen seien. Dass Frauen aber Männer in Kraft und Schnelligkeit in den nächsten zwei, drei Generationen übertreffen könnten, hält er biologisch für ausgeschlossen. Die Muskeldichte bei trainierten Männern werde aufgrund des geringeren Fettgewebes immer deutlich höher sein. "Frauen werden aufgrund ihres höheren Östrogengehalts selbst bei intensivstem Training nie die Muskelmasse und den Muskelquerschnitt entwickeln können, die Männer haben. Das ist der zentrale Punkt, warum Frauen nicht die physische Leistungsstärke von Männern erreichen werden."

Als Frauen die Marathonstrecke von 42,195 Kilometern in Wettbewerben zu laufen begannen, verbesserten sie ihre Zeiten in den ersten Jahren extrem schnell. "Da glaubte man", sagt Braumann, "dass Frauen im Ausdauerbereich irgendwann die Männer übertreffen könnten." Der rasche Fortschritt war jedoch dem großen Nachholbedarf geschuldet; inzwischen stelle man fest, dass die Männer auf allen leichtathletischen Distanzen konstant um rund elf Prozent schneller sind.

Auch in der Antizipation, dem Vorausahnen von Situationen, von Bewegungen, der Flugbahnen von Bällen haben Frauen Nachteile. Das fällt bei Torhüterinnen auf. Die Gründe liegen wohl auch hier in der Menschheitsgeschichte: Der jagende Mann konnte sich besser vor Gefahren schützen, wenn er das mutmaßliche Verhalten des Gegners oder des Tieres in seine Überlegungen einbezog. Daher mag die Einschränkung rühren, dass sich Männer nur auf eine Sache konzentrieren können. Jede Ablenkung wäre im Kampf mit zum Beispiel einem Mammut tödlich gewesen.

Sportliche Frauen haben andere Vorzüge: Sie gelten als willensstärker, sie sind eher bereit, sich zu quälen. Um große Strecken laufend bewältigen zu können, um nach 40 oder 100 Kilometern anzukommen, reicht ihnen oft ein weit geringer Trainingsaufwand als Männern. Aggressiver sind sie nicht. Im Gegenteil. Die Erforschung geschlechtsabhängiger Persönlichkeitsmerkmale belegt dies. Untersuchungen haben zudem einen Zusammenhang zwischen Aggressivität und sportlichen Meriten ergeben: Je erfolgreicher jemand ist, desto aggressiver ist seine Persönlichkeitsstruktur. Männer sind in dieser Hinsicht Frauen um einiges voraus. Die Evolution ist wieder schuld. Braumann: "Testen wir in unserem Institut Ehepaare auf ihre körperliche Leistungsfähigkeit, strampeln sich die Männer manchmal bis zur Bewusstlosigkeit auf dem Fahrrad ab. Ihre Frauen dagegen brechen häufig ab, sobald sie sich unwohl fühlen, weil ihnen z. B. zu warm wird. Sie stehen offensichtlich nicht derart unter Druck, sich oder anderen unbedingt etwas beweisen zu müssen." Das dürfte auch bei beruflichen Karrieren eine mögliche Ursache sein, dass es Frauen in Unternehmen seltener in Führungspositionen schaffen. Der Mann will, die Frau möchte.

Generell, sagt Professor Braumann, haben Frauen im Sport ihre Möglichkeiten bei Weitem nicht ausgeschöpft. Gerade im Tennis und Fußball wirkten selbst Spitzenspielerinnen nicht austrainiert. "Da ist oft noch sehr viel athletisches Potenzial vorhanden. Eine 22-malige Grand-Slam-Siegerin wie Steffi Graf war ihren Gegnerinnen auch dank ihrer Fitness überlegen. Bei den Männern dagegen gibt es unter den ersten 150 Spielern der Tennis-Weltrangliste in diesem Punkt kaum Unterschiede."