UKE-Forscher entdecken, wie ein Transporteiweiß Haut- und Gehirnzellen beeinflusst

Hamburg. Die Zeit, in der es anfängt mit dem Vergessen von Schlüsseln und Gesichtern ist meistens auch die Zeit, in der die Haare grau werden. Nur ein Zufall? Eine Arbeitsgruppe an der Universitätsklinik Eppendorf hat unter der Leitung von Prof. Matthias Kneussel jetzt eine mögliche Verbindung dieser beiden Phänomene entdeckt. Das vorläufige Ergebnis ihrer Untersuchungen ist überraschend: Es könnte sich um ein Transportproblem handeln.

Die zentrale Rolle spielt Muskelin, ein Protein, das Transportvorgänge in Körperzellen reguliert. Die Forscher untersuchten Gedächtnisfunktionen und wollten wissen, ob die Transportfunktion von Muskelin wichtig für das Gedächtnis sein könnte. Dabei entdeckten sie Zusammenhänge, mit denen sie nicht gerechnet hatten. "Muskelin ist ein Protein, das in verschiedenen Zellen ähnliche Funktionen erfüllt. Das hatten wir nicht erwartet", so Kneussel.

Als Teil eines molekularen Motors transportiert Muskelin in den Nervenzellen des Gehirns Zellbestandteile hin und her, zum Beispiel den sogenannten GABA-Rezeptor. Wird er durch eine Fehlfunktion des Muskelins nicht an der richtigen Stelle in die Zellmembran eingebaut, laufen Übertragungen von Nervenimpulsen unkontrolliert und zu schnell ab - epileptische Anfälle könnten etwas damit zu tun haben.

Um die Transportfunktion von Muskelin zu testen, züchteten die Forscher Mäuse ohne Muskelin. Nach Abschaltung des Muskelin-Gens wurden im sogenannten Hippocampus der Mäuse veränderte Hirnströme gemessen. Dieser Hirnbereich spielt eine sehr wichtige Rolle für Lernen und Langzeitgedächtnis "Wir nehmen an, dass diese Oszillationen Gehirnfunktionen wie Lernen und Gedächtnis maßgeblich beeinflussen", berichtet Kneussel.

Doch die Forscher entdeckten noch etwas anderes. "Wir waren erstaunt, zu sehen, dass Muskelin auch in der Hautzelle eine ähnliche Funktion erfüllt. Wir konnten das an der Fellfarbe unserer Mäuse sehen. Nach der Geburt waren sie zunächst schwarz, wurden aber - ohne Muskelin - nach drei Wochen schokoladenbraun." Muskelin transportiert also offensichtlich nicht nur in den Hirnzellen Rezeptoren an die richtige Stelle, sondern auch Farbpigmente in die Hautzellen. Der schnelle Transport von Farbpigmenten ist bekannt vom Chamäleon und von Fischen im Paarungsverhalten - von Mäusen wusste man das bis jetzt allerdings noch nicht.

Muskelin als ein Schlüssel für Gedächtnis und Haarfarbe? Die Mäuse, bei denen Übertragungsstörungen im Hippocampus gemessen wurden, müssen jetzt erst einmal ausführliche Lernversuche absolvieren. "Wir gehen davon aus, dass sich diese Störungen auch dramatisch auf den Lernprozess auswirken", so Kneussel.

Noch sind diese Zusammenhänge am Menschen nicht erforscht, aber Muskelin wurde auch in menschlichen Haut- und Nervenzellen gefunden. Vielleicht lassen sich graue Haare und nachlassendes Gedächtnis eines Tages gleichzeitig behandeln: durch bessere Transportbedingungen.