Israelis, Jordanier und Palästinenser retten den sterbenden Fluss. Am heutigen Mittwoch werden sie in Hamburg geehrt. Ein Ortstermin.

Tiberias. Nach wenigen Schritten denkt man, dass die Bananen grinsen. Sonne brennt ins Tal, straft jeden Fußgänger, der über die Felsen stolpert. Unverschämt sehen sie aus, die fetten Blätter der Stauden, wie sie hier wachsen, gierig Wasser aus dem Boden saugen, das die Früchte schwellen lässt. Am See Genezareth lernt man, was Durst bedeutet. Und das mitten im Winter.

Es gab Zeiten, da haben sich Wanderer auf den Jordan gefreut. Nicht nur Moses, der 40 Jahre lang auf das gelobte Land jenseits des Stromes blickte. Heute ist das Wasser von den Bergen kaum sichtbar, nur das grüne Band des Ufers, das sich durch die braune Ebene schlängelt. Orangenbäume links, Fischzuchtanlagen rechts.

Nicht, dass Mira Edelstein gegen Bananen wäre. "Aber warum hier?" Sie hebt die Augenbrauen hinter der Sonnenbrille. Bananen brauchen Wasser wie kaum eine andere Pflanze. Die gebürtige New Yorkerin hat in einem Kibbuz gearbeitet, sie kennt den zionistischen Traum, die Wüste zum Leben zu erwecken. Aber wenn das so weitergehe, sagt die Sprecherin von "Friends of the Earth Middle East", dann werde ein verdorrtes Flussbett bleiben, wo einst das Wasser des Jordans bis zu 65 Meter breit strömte.

Der Jordan stirbt. Zwar gehört der Tod zur Wüste, was nicht schlimm ist, denn Wasser bringt das Leben immer wieder zurück. Aber hier ist der Kreislauf zerstört. 98 Prozent des Flusswassers werden zur Bewässerung und als Trinkwasser abgezweigt. Jordanien und Israel bezuschussen das, die Bauern exportieren auch. Zurück fließt Dreck. Abfall von 30 000 Israelis, 60 000 Palästinensern und 250 000 Jordaniern. Auch Syrien zapft Zuflüsse an.

Die Organisation "Friends of the Earth Middle East" erhält am Mittwoch in Hamburg den Onassis-Umweltpreis . Auch, weil es um Chancen für den Frieden geht, zwischen zerstrittenen Völkern. Das Konzept: Israelis, Jordanier und Palästinenser arbeiten gemeinsam. Daten erheben, Öffentlichkeit herstellen, Menschen verbinden.

Die Fassade ist prächtig. Der See Genezareth lässt das Land leben. Aus oft verschneiten Golanhöhen, von Israel annektiert, sprudelt Wasser ins Tal. Dort tummeln sich Katzenfische und Otter neben Kranichen und Störchen. Die Tierchen wuseln bis nach Jardanit am Beginn des Jordans. Auch wenn dieser Ort in der Bibel nicht erwähnt ist, läuft das Geschäft - eine halbe Million Christen kommen jährlich, tauchen weiß gewandet in jenem Fluss, in dem Jesus seine Weihe empfangen haben soll. Der Souvenir-Shop verkauft Wasser: drei Dollar das Fläschchen.

Auch wenn weiter südlich militärisches Sperrgebiet beginnt, das den Jordan bis zum - ebenfalls austrocknenden - Toten Meer abschirmt: Wer will, folgt einem löchrigen Weg entlang des Ufers. Ein sandiger Damm teilt den Fluss, darunter läuft ein trockenes Rohr; der Wasserspiegel ist zu niedrig. Der Fluss dahinter hat nur zwei Quellen: die schäumenden Abwässer der umliegenden Dörfer und einen Salzwasser-Kanal.

In vielen Ländern Europas hätten sich hier wohl längst Ökoaktivisten angekettet. "Das ist nicht unser Stil", sagt Mira Edelstein. Aber ihre Organisation hat Tausende Besucher hergebracht, die Medien mit Informationen gefüttert. Der Bürgermeister will nun ein Klärwerk bauen. "Entscheidungen werden oft regional getroffen." Wie auch in einem Dorf im Westjordanland, das von der Grenzlinie zerschnitten ist. Dort bauen die palästinensische und die israelische Verwaltung gemeinsam Silos - auch um den Gestank loszuwerden.

Die Welt schrie auf, als kürzlich bekannt wurde, dass das Wasser in Bethabara, kurz vorm Toten Meer, verseucht ist. Dort soll Johannes der Täufer gelebt haben. Nun lauern dort Ausschlag und Durchfall. Mira Goldstein muss lächeln über diesen Coup, weil das israelische Tourismusministerium versucht hatte zu dementieren. Überhaupt, Touristen könnten die Lösung sein, sie bringen Geld und schüren Interesse am Jordan.

Der mit Sensoren gespickte Grenzzaun lässt sich öffnen. Mit Jordanien herrscht derzeit Frieden. Eine kurze Nachricht an die jordanischen Soldaten reicht, die schläfrig in den Wachtürmen sitzen. Nahe der Ansiedlung Gesher liegt diese politische Insel. 1997 lief hier allerdings ein jordanischer Soldat Amok und erschoss sieben israelische Schülerinnen. "Der Ort hat seine Geschichte", sagt Goldstein.

Die Bewohner eines Kibbuz betreiben hier eine Besucherstelle, an der Gabelung mit dem Jarmuk-Fluss. Hinter Panzersperren aus dem arabisch-israelischen Krieg von 1948 steht eine osmanische Eisenbahnbrücke. 50 Meter breit muss der Jordan gewesen sein. Nun wuchert Schilf im überdüngten Wasser. Daneben bröckelt eine 2000 Jahre alte römische Brücke. "Der Jordan war ein Ort der Verbindung", sagt Goldstein. Ihre Organisation will die Friedensinsel vergrößern, die palästinensische Seite öffnen. Da ist auch noch ein alter Bahnhof im Bauhaus-Stil. Keine schlechten Attraktionen am berühmtesten Fluss der Welt.

Das Jordan-Problem ist nicht einzigartig, knappes Wasser und konkurrierende Interessen sind globale Katastrophen. Sicher, ökologische Probleme seien vom Nahost-Konflikt überschattet, sagt Mira Edelstein. "Aber beim Naturschutz hängen wir sowieso hinterher." So zeigt in einer nahen Schule eine Lehrerin die Errungenschaft, die bärtige Biolehrer in Deutschland schon vor 20 Jahren pflegten: eine Ökoecke, wo Schüler Recycling lernen.

Auch sei Israel nur ein kleiner Markt für Umwelt-Technologien, sagt Edelstein, nicht mal die Sonne werde vernünftig genutzt. Man müsse klein anfangen: Leitungen abdichten, Regenwasser sammeln, Abwässer in Kiesgruben leiten. Doch die Öffentlichkeit wächst. Kürzlich war jenes amerikanische Filmteam hier, das auch den Klimafilm für Al Gore produzierte.

Mira Edelstein kann lächeln: "Gut, dass unser Fluss so bekannt ist."