Der Nachweis des elektrischen Dipolmoments könnte erklären, warum es im Weltall mehr Materie als Antimaterie gibt

Jülich. Besitzen Elektronen neben Masse, Ladung und Spin noch eine vierte Eigenschaft, wie populäre Theorien behaupten? Forscher aus Deutschland, Tschechien und den USA wollen diese fundamentale Frage der Physik nun lösen. Mithilfe des Jülicher Supercomputers JUROPA haben sie eine Keramik aus Europium-Barium-Titanat hergestellt, die zehnfach genauere Messungen als bisher ermöglichen soll. Darüber berichten sie in der Fachzeitschrift "Nature materials".

Elektronen sind negativ geladene Elementarteilchen; sie bilden die Hülle des Atoms, das einen Kern aus positiv geladenen Protonen und neutralen Neutronen enthält. Mehrere miteinander verbundene Atome bilden ein Molekül. So kann man es im Schulbuch nachlesen. Doch in Kürze könnte eine Ergänzung nötig werden. Denn einige Physiker glauben, dass Elektronen ein sogenanntes elektrisches Dipolmoment tragen. Von einem elektrischen Dipol spricht man, wenn ein Körper, etwa ein Molekül, an verschiedenen Stellen unterschiedliche elektrische Ladungen aufweist; wenn also Schwerpunkte der negativen Ladungen (Elektronen) und Schwerpunkte der positiven Ladungen (Atomkerne) räumlich voneinander getrennt sind, so wie etwa Nord- und Südpol eines Magneten.

Aber wie könnten einzelne Elektronen, die dieser Theorie nach ausschließlich negativ geladen sein sollen, einen Dipol aufweisen? "Man kann sich ein Elektron vorstellen wie eine Kugel, auf der sich die negative Ladung rundherum verteilt, wobei die eine Hälfte der Kugel über eine etwas stärkere negative Ladung verfügt als die andere Hälfte", sagt Professor Stefan Blügel, Leiter des Instituts für Festkörperforschung am Forschungszentrum Jülich. "Es handelt sich nur um eine winzige Asymmetrie in der Ladung, die auf einen elektrischen Dipol hindeutet - aber diesen Unterschied können wir vielleicht messen."

Die Existenz des Dipolmoments könnte erklären, wie das Universum in der bekannten Form entstehen konnte. Denn nach gängiger Theorie hätte beim Urknall genauso viel Materie wie Antimaterie entstehen müssen, tatsächlich entstand aber mehr Materie. Ein elektrisches Dipolmoment von Elektronen könnte das Ungleichgewicht nachvollziehbar machen. Doch alle bisherigen Methoden waren für den Nachweis nicht empfindlich genug.

Weil das elektrische Moment nicht direkt messbar ist, arbeiten die Jülicher Forscher an einem indirekten Nachweis, der an der US-Eliteuniversität Yale stattfinden soll. Dort wollen sie die neue Keramik einem elektrischen Feld aussetzen und die Magnetisierung mit einem extrem empfindlichen SQUID-Magnetometer messen. Anschließend wollen sie das elektrische Feld umpolen. Wenn sie dabei eine Änderung der Magnetisierung nachwiesen, wäre dies der Beweis für die Existenz des elektrischen Dipolmoments.