In Hamburg sind zwei Studien gestartet, deren Ziel es ist, das Immunsystem zu aktivieren oder die Tumorzellen ganz gezielt abzutöten.

Hamburg. Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium erfolgreich zu behandeln ist immer noch sehr schwierig. Jetzt gibt es neue Hoffnung. Gleich zwei internationale Studien sind kürzlich in Hamburg angelaufen. "In beiden Fällen handelt es sich um klinische Studien, die sich in der 3. Phase befinden. Bei ihnen wird vor allem die Wirksamkeit getestet. Die Verträglichkeit und Sicherheit der Medikamente sind bereits nachgewiesen worden. An ihnen nehmen nur Patientinnen teil, die bereits an einem fortgeschrittenen, metastasierten Brustkrebs leiden", erläutert Dr. Kay Friedrichs vom Mammazentrum Hamburg. Er leitet die beiden Studien, die im Krankenhaus Jerusalem stattfinden.

Impfen gegen Krebs

"Bei Patientinnen, die einen Tumor haben, der örtlich fortgeschritten ist oder sich im Körper ausgebreitet hat und dessen Wachstum durch das Hormon Östrogen angeregt wird, versuchen wir mit einer Impfung das Immunsystem gezielt anzukurbeln. Sie wird zusätzlich zur Anti-Hormontherapie verabreicht", erläutert Dr. Friedrichs. Ziel ist, dass sich die körpereigenen Killerzellen, die T-Zellen, über die Krebszellen hermachen. Konkret sollen sie die Krebszellen zerstören, die das Eiweiß "MUC1" tragen. Dieses Eiweiß wird bei Brustkrebs, aber auch bei einer Krebserkrankung des Knochenmarks und der Lunge, dem Darmkrebs und dem Prostata- und Eierstockkrebs im Vergleich zu gesunden Zellen vermehrt produziert. Auf diesen Unterschied sollen die T-Zellen mithilfe der Impfung "aufmerksam" werden.

Mammografie erst vom 50. Lebensjahr an

Der Tumorimpfstoff "Stimuvax" ist ein aus 25 Aminosäuren aufgebauter, künstlich hergestellter Eiweißschnipsel, ein Peptid. Damit er zum Zielort gelangt und nicht vorher zerlegt wird, ist das Peptid von einem Fettkügelchen umhüllt.

An der Stride-Studie - das Kunstwort steht für STimulating immune Response In aDvances beEast cancer - nehmen 900 Patientinnen teil. Dr. Lawrence Shulman vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston (USA) leitet die Studie, an der 180 Krebszentren aus 30 Ländern rund um den Globus mitwirken. Gesponsert wird sie von der Merck KGaA. Zwar hat eine kanadische Biotech-Firma den Impfstoff entwickelt, aber die Merck KGaA hat weltweit die Exklusivrechte erworben. Die Studie läuft bis Ende 2010, erste Ergebnisse werden 2011 vorliegen.

Doppelschlag gegen Tumorzellen

"Um Frauen zu helfen, die an einem fortgeschrittenen Brustkrebs leiden, bei dem ein spezieller Rezeptor auf der Oberfläche von Krebszellen, der HER2, vermehrt nachgewiesen worden ist, setzen wir auf einen neuen Wirkstoff", erläutert Dr. Friedrichs. Bereits jetzt verbessert der Antikörper Trastuzumab (Herceptin) bei HER2-positiven Patientinnen die Überlebenschancen. Der neue Wirkstoff vereint nun zwei Ansätze zur Krebstherapie in einem Arzneimittel. T-DM1 besteht aus Trastuzumab (T) und dem Chemotherapeutikum DM1. "Dieses ist die erste Behandlungsmethode für Brustkrebs mit einer neuen Klasse von leistungsstarken Medikamenten, die unter dem Namen Antikörper-Arzneimittel-Konjugate bekannt sind."

Das Trastuzumab, das die Wachstumsrezeptoren auf der Oberfläche der Krebszellen blockiert, nimmt das Chemotherapeutikum DM1 quasi huckepack. "Durch die Kombination ist T-DM1 in der Lage, gezielt gegen Krebszellen vorzugehen, während die Nebenwirkungen einer unspezifischen Chemotherapie gemindert werden. So wird beispielsweise der Haarausfall weniger", so Dr. Friedrichs, der von den ersten klinischen Ergebnissen beeindruckt ist.

Und die Mediziner erlebten noch eine Überraschung: Bei einigen Patientinnen, deren Tumore nicht mehr auf Herceptin ansprachen, verschwand die Resistenz wieder. An der EMILIA-Studie nehmen 580 Patientinnen aus 40 Ländern und 120 Zentren teil. Die Studie läuft noch bis Ende 2010, erste Ergebnisse gibt es 2011.

"Mit diesen beiden Studien werden erstmals neue Behandlungswege beschritten. Sie zielen darauf ab, die körpereigene Abwehr zu stärken beziehungsweise die Krebszellen gezielt auszuschalten", kommentiert Dr. Kay Friedrichs. Wenn die beiden Studien erfolgreich sind, wäre das genial.