Barfen ist der neue Trend: Mit frischem Fleisch und Gemüse sollen Hunde und Katzen möglichst natürlich ernährt werden. Was Tierärzte sagen.

Hamburg. Rohes Fleisch statt Lasagne. Zumindest Comic-Kater Garfield wäre entsetzt. In unserer Welt aber könnte eine Rohkostdiät das Leben von Katzen und Hunden verlängern, sie vor Krankheiten schützen oder gar heilen. Was nach Hokuspokus klingt, hat längst zahlreiche Anhänger gefunden. Und das nicht ohne Grund.

Sein Tier ernsthaft mit Lasagne füttern würde wohl niemand. Rohes Fleisch setzen Rohkostfans ihren Tieren aber statt herkömmlichem Trocken- oder Nassfutter vor. Barf heißt diese Art der Ernährung: "Biologisch Artgerechte Roh-Fütterung". Die Idee beim Barfen ist, Hunde entsprechend ihrer Abstammung wie Wölfe zu ernähren - etwa mit Beinscheiben, Schenkeln oder Hälsen von Hühnern, Puten, Schweinen, Rindern oder Schafen. Auch Innereien wie Leber oder Herz stehen auf dem Speiseplan, genauso wie Obst und Gemüse.

"Die Hundeernährung ist längst zur Glaubensfrage geworden", sagt Sylvia von Rosenberg, Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Tatsächlich kommt rohes Fleisch einigen Bedürfnissen von Hunden und Katzen entgegen. Es befriedigt etwa das Kaubedürfnis. Das Problem mit dem Fertigfutter aber ist nicht dessen lasche Konsistenz. Stattdessen steht es im Verdacht, Lebensmittelunverträglichkeiten auszulösen, wie etwa Laktoseintoleranz, bei der Milchzucker nicht richtig verdaut werden kann. Beweise dafür gibt es aber nicht.

Wieso also glauben Barfer, dass es ihrem Tier mit einer Rohkostdiät besser geht? "Tatsächlich lassen sich Gesundheit und Wohlbefinden eines Tieres über die Ernährung steuern", sagt von Rosenberg. Tiere, die etwa Laktose oder Stoffe aus dem Proteingemisch Gluten nicht vertragen, können beim Barfen individuell versorgt werden. Über das Futter lässt sich sogar das Wachstum von Tumoren regulieren: Die Tiere fressen nur noch Kohlenhydrate, welche die Tumorzellen nur schlecht aufnehmen.

Individuell auf die Bedürfnisse eines Tieres einzugehen, hat jedoch nicht unmittelbar etwas mit dem Barf-Konzept zu tun. Von Rosenberg: "Möglich ist bedarfsgerechte Ernährung genauso mit Fertigfutter oder Gekochtem." Denn auch das Barfen hat seine Tücken: So gewinnt man durch die aufwendige Zubereitung leicht den Eindruck, das Tier besonders ausgewogen zu ernähren. "Doch das täuscht", sagt Josef Kamphues, Direktor des Instituts für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule Hannover (Tiho). Zwar sind Hunde genau wie Wölfe Fleischfresser, doch entspräche Barfen nicht dem natürlichen Speiseplan des Wolfs.

Ihren Nährstoffbedarf decken die Tiere nämlich nicht nur über das rohe Muskelfleisch ihrer Beute. Vor allem kleinere Tiere wie Kaninchen oder Hühner verschlingen Wölfe mit Haut, Knochen, Fell, Sehnen, Blutgefäßen, sämtlichen Innereien und einschließlich des gefüllten Verdauungstrakts. In dem befinden sich vorverdaute Pflanzenreste. Die können Raubtiere problemlos verwerten und die Nährstoffe nutzen, da für sie unverträgliche Bestandteile bereits im Beutetier zersetzt wurden. Rohes Pflanzenfutter, wie es Barfer verwenden, können Wolf und Hund jedoch nicht verdauen. Daher warnt Kamphues davor, rohe Hülsenfrüchte, Holunderbeeren, Zwiebeln, Lauch oder Kartoffeln zu verfüttern.

Tiere so zu barfen, dass sie das Futter vertragen und auf Dauer nicht an Mangel- oder Überernährung leiden, ist anspruchsvoll und zeitaufwendig. "Jeder, der sein Tier individuell versorgen möchte, sollte sich deshalb gewissenhaft die Frage stellen, ob er bereit ist, sich intensiv mit dessen Ernährung auseinanderzusetzen", sagt Kamphues. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten bislang weder gesundheitliche Vorteile des Barfens noch Nachteile von herkömmlichem Futter eindeutig belegen. Kamphues denkt da praktisch: Ob ein Haustier sein Futter verträgt und bedarfsgerecht versorgt ist, erkenne man an drei Dingen: am Verhalten des Tieres, seinem Fell und den Ausscheidungen. Wie er das Tier gesund hält, muss jeder Halter selbst entscheiden.

In Bezug auf Hygienerisiken der Rohkostdiät sind sich Experte dagegen einig: Schon 2008 warnte die Stiftung Warentest in einem Katzenfuttertest vor Salmonellen. "Unsere Empfehlung ist, nur vorher gefrorenes oder abgekochtes Material zu verfüttern, auch wenn das Risiko klein ist", sagt Thomas Schnieder, Direktor des Instituts für Parasitologie an der Tiho. Rohes Fleisch kann Schadstoffe enthalten und Bakterien, Viren oder Parasiten übertragen, die beim Kochen oder Braten absterben würden. Einige von ihnen schaden dem Tier unmittelbar. So enthält mancher Fisch das Enzym Thiaminase, welches das Vitamin B1 in der Nahrung zerstört und Mangelerscheinungen verursacht. Zu den gefährlichen Infektionen bei Hunden zählt die Aujeszkysche Krankheit, eine Virusinfektion, die durch rohes Schweinefleisch übertragen wird. Hunde bekommen von der Krankheit Gehirn- und Rückenmarksentzündungen und unstillbares Jucken. Sie verstümmeln sich selbst, bevor sie an der Infektion sterben. Andere Organismen, wie Salmonellen oder Bandwürmer, befallen Haustiere zwar, lösen bei ihnen aber keine Symptome aus. Die Bakterien und Parasiten sind jedoch vom Tier auf den Menschen übertragbar und entfalten in ihm ihre schädliche Wirkung.

Aussetzen muss sich diesem Risiko aber niemand. Wer industriell gefertigtes Alleinfutter füttert, kann sicher sein, dass Hund und Katze alle wichtigen Nährstoffe aufnehmen. Barfer dagegen müssen aufpassen, die Nahrung bedarfsgerecht zusammenzustellen.