Das arme Land in Südamerika könnte reich werden. Unter dem größten Salzsee der Welt liegt auch das bislang größte bekannte Lithiumvorkommen.

La Paz. Wo die Kruste des Salzsees aufhört und der Himmel beginnt, erkennt man nur an der Achse des Spiegelbildes. In dieser unbewohnten Landschaft verliert man das Gefühl von einer Grenze, von oben und unten. Es ist, als ob man sich auf einem anderen Planeten oder in einem Muster aus den Farben Blau, Weiß und Grau bewegen würde. Es ist Regenzeit in Bolivien, und auf der wässrigen Oberfläche des Salar de Uyuni, des größten Salzsees der Welt, spiegelt sich das Blau des Himmels, jede Wolke, jedes Salzhäufchen.

Die Naturschönheit in den Anden im Süden Boliviens besuchen täglich unzählige Touristen. Sie fahren in Jeeps über die meterdicke Salzkruste, die sich über den rund 12.000 Quadratkilometer großen See zieht. Viele Bewohner der Region leben vom Tourismus. So auch Dionicio Choque vom indigenen Stamm der Aymara. Der 57-jährige Bolivianer mit dem von Sonne und Arbeit gefurchten Gesicht hält den Jeep an. Mit dem Finger zeigt er nach unten und sagt: „Unter dieser Kruste liegt der Rohstoff vergraben, der Bolivien den Fortschritt bringen wird: das Lithium.“

Wenn auch der Salar de Uyuni auf fast 3.700 Meter über Meer eine Touristenattraktion schlechthin ist, hat er für Bolivien derweil eine andere Bedeutung bekommen. Im Salzsee schlummert das größte Lithiumvorkommen der Welt. Wie viel genau, ist zwar noch unklar. Regierungsintern wird aber bereits von 100 Millionen Tonnen gesprochen.

Viele Bewohner im Süden Boliviens leben in prekären Verhältnissen. In abgelegenen, kleinen Dörfern, eingebettet in der hügeligen und kargen Landschaft der Anden, wo es nachts sehr kalt wird. Es gibt Ortschaften ohne Elektrizität und fließendes Wasser. Die Familien verdienen ihr Geld vorwiegend mit der Zucht von Lamas. „Früher war auch ich ein Lamahirt“, sagt Choque. Aber dieses Leben sei sehr hart. „Ich wollte nicht, dass meine Kinder wie ich werden.“ Choque verließ das Dorf und zog mit Frau und acht Kindern in die Stadt.

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Wie die meisten Bewohner der Region ist Choque voller Hoffnung, dass die Lithiumgewinnung „Reichtum bringen wird“. Darunter verstehen die Menschen nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch bessere Infrastruktur wie asphaltierte Straßen, mehr Geld für Bildung und Gesundheit.

Präsident Evo Morales hat 2007 Lithium zum „nationalen Rohstoff“ deklariert und der Förderung höchste Priorität eingeräumt. 2008 rief er das „Proyecto Litio“ – Lithium-Projekt – ins Leben. Seither baut der Staat in einer einsamen Gegend im Südosten des Salar de Uyuni eine Pilotanlage. Im Juni werde sie fertig sein, und man könne mit der Herstellung von Lithiumkarbonat beginnen, sagt Projektleiter Marcelo Castro Romero. „Der Plan ist, 40 Tonnen Lithiumkarbonat pro Monat zu produzieren und auf dem Weltmarkt zu verkaufen.“

Und Bolivien blickt schon weiter in die Zukunft. Das Land möchte nicht nur Lithiumkarbonat produzieren, sondern auch Lithiumbatterien oder Elektroautos. Dafür sucht es ausländische Partner. Unternehmen aus Korea, Japan, China, den USA oder Europa machen zurzeit Angebote. Bolivien will das beste auswählen.

„Wann?“ Diese Frage stellt sich nicht nur Choque. Die anfängliche Euphorie führte dazu, dass die Menschen schon bald sichtbare Fortschritte in der Region erhofften. Castro Romero: „Es wird vielleicht länger dauern, aber Schritt um Schritt wird es Realität werden.“ Und wenn auch Choque vielleicht im Alter nicht mehr davon profitieren wird: „Solange meine Kinder später Arbeitsstellen bekommen, bin ich zufrieden.“

Lithium : Ohne das silbrig glänzende Leichtmetall ist das heutige Leben kaum noch denkbar. Lithium wird zu Lithiumkarbonat verarbeitet, und daraus werden etwa Lithiumbatterien für Computer und Mobiltelefone hergestellt. Die enorme Nachfrage wird aber erst in den nächsten Jahren erwartet. In Zukunft sollen statt Autos, die Benzin verbrennen, Elektromobile mit Lithiumbatterie durch die Städte flitzen. Ab 2020 etwa soll die Massenproduktion für den Verkauf starten. Abermillionen Lithiumbatterien könnten schon bald nötig sein.