Mediziner schlagen Alarm und warnen vor der Wirkung der Zusatzstoffe in Lebensmitteln. Sie fordern eine Mengenangabe auf der Verpackung.

Hamburg. Mediziner schlagen Alarm. Als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall haben sie einen neuen Risikofaktor ausgemacht: Phosphatzusätze in Lebensmitteln. Dabei geht es nicht um natürliche Phosphatverbindungen, wie sie z. B. in Getreide, Hülsenfrüchten oder Fleisch vorkommen, sondern um freie Phosphate, die in der Lebensmittelverarbeitung als Zusatzstoffe eingesetzt werden, etwa als Konservierungsmittel, Säuerungsmittel oder Geschmacksverstärker.

Prof. Eberhard Ritz vom Nierenzentrum Heidelberg und seine Kollegen haben sich einen Überblick über neue wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema verschafft und im "Deutschen Ärzteblatt" die Ergebnisse zusammengefasst. Danach hat die Aufnahme von zu viel Phosphat besonders für Nierenkranke schwere Folgen. Weil zwei Drittel dieser Substanz über die Nieren ausgeschieden werden, führt eine Nierenschwäche zu stark erhöhten Phosphatspiegeln im Blut.

Aber laut den Studien, welche die Experten gesichtet haben, haben auch schon gesunde Menschen, die zu viel Phosphat im Blut haben, ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. "Wer zu viel Phosphat zu sich nimmt, altert schneller", sagt Dr. Matthias Riedl, Ernährungsmediziner in Hamburg. "Es verändert die Innenfläche der Gefäße, so wie wir es von der Arterienverkalkung kennen. Die Fähigkeit der Gefäßoberfläche, elastisch zu bleiben, wird beeinträchtigt. Dadurch steigt die Gefahr zum Beispiel für einen Herzinfarkt. Und die Schädigung der Gefäße scheint auch Auswirkungen auf die Muskeln und die Haut zu haben, sodass sie schneller altern. Außerdem steigt bei einem hohen Phosphatspiegel im Blut das Risiko für eine Osteoporose."

Normalerweise verfügt unser Körper über einen fein tarierten Regelkreis, um Phosphat und Kalzium im Gleichgewicht zu halten. Ist der Phosphatgehalt im Blut zu hoch, wird das Parathormon ausgeschüttet, das in den Nebenschilddrüsen gebildet wird. Es sorgt für ein Absinken des Phosphatspiegels. Gleichzeitig wird Kalzium aus den Knochen gelöst, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. In neuerer Zeit hat die Wissenschaft noch weitere Faktoren entdeckt, die in diesem System eine Rolle spielen und eine ähnliche Wirkung haben. "Bisher sind wir davon ausgegangen, dass der gesunde Mensch das aufgenommene Phosphat wieder über die Niere ausscheidet. Wir wissen aber jetzt, dass das Regelsystem komplizierter ist als bisher vermutet und dass es bei hoher Aufnahme von Phosphat zu Veränderungen im Körper kommt. Das muss noch mit weiteren Studien abgesichert werden. Aber der Hinweis darauf, dass Phosphat schädliche Auswirkungen auf den Körper hat, ist als sehr sicher anzusehen. Dadurch, dass wir immer mehr Produkte mit Phosphatanreicherungen zu uns nehmen, scheint unser Stoffwechsel überfordert zu sein", sagt Riedl.

Das sei auch kein Wunder, wenn man bedenke, dass sich die Phosphataufnahme mit der Ernährung in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt habe. Heute gelte eine Zufuhr von 1000 Milligramm pro Tag als absolute Obergrenze. "Wer einen Hamburger mit einer Schmelzkäsezubereitung isst und dazu einen halben Liter Cola trinkt, hat diese Obergrenze bereits überschritten", sagt Riedl.

Freies Phosphat lauert in vielen Lebensmitteln, die industriell hergestellt sind, in Fertiggerichten und im Fast-Food, in Wurst, Fischkonserven und Backwaren, als Zusatz im Kaffee- oder Puddingpulver, um die Rieselfähigkeit zu erhalten, so die Autoren der Studie.

Das Problem ist aber: Für den Verbraucher ist nicht erkennbar, wie viel Phosphat in einem Lebensmittel enthalten ist. Zwar müssen nach EU-Richtlinien in verpackten Lebensmitteln alle Zusatzstoffe durch E-Nummern gekennzeichnet sein. Aber die Kennzeichnungspflicht sei nur qualitativ, nicht quantitativ, so die Forscher.

"Wir brauchen eine politische Diskussion über die mengenmäßige Kennzeichnungspflicht, damit der Verbraucher entscheiden kann, ob er das essen will und wie viel er davon zu sich nimmt", sagt Riedl. Auch die Forscher sprechen sich im "Ärzteblatt" dafür aus, dass der Phosphatgehalt von Nahrungsmitteln gekennzeichnet wird: "Analog der Kennzeichnung des Kochsalzgehaltes, wie sie bereits in Finnland und Großbritannien praktiziert wird, sollte anhand der Farben Grün, Gelb, Rot die zu erwartende Zufuhr von zugesetztem Phosphat graduell kenntlich gemacht werden." Ärzteschaft und Bevölkerung sollten verstärkt über die Rolle der Phosphatzusätze als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufgeklärt werden.

Wer sichergehen will, dass er möglichst wenig Phosphat zu sich nimmt, kann im Moment auf Bioprodukte zurückgreifen. "Sie dürfen nur Kalziumphosphatverbindungen enthalten. Das ist eine gewisse Minderung der Phosphataufnahme", sagt Riedl. Darüber hinaus bleibt nur, auf natürliche Lebensmittel zu setzen: "Garantiert phosphatarm ist eine gesunde Ernährung, die keine industriell verarbeiteten Lebensmittel enthält, das heißt, selbst zubereitetes Obst und Gemüse, Milch und Quark, Kartoffeln, Reis und Nudeln", sagt Riedl. Bei Getränken rät er dazu, Cola oder Softdrinks nur in geringen Mengen bis zu 200 Milliliter am Tag zu trinken und seinen Flüssigkeitsbedarf ansonsten durch Tee und Wasser zu decken. Wer auf Fruchtsaft nicht verzichten will, sollte selbst gepressten Saft trinken oder Bioprodukte wählen.