Das Versuchsschiff ist erst der Anfang. Bei Kreuzfahrtschiffen könnte die neue Technik für einen Teil des Bordstroms sorgen.

Seit knapp zwei Jahren hat Hamburg einen technisch ungewöhnlichen Alsterdampfer: Die "Alsterwasser" fährt mit Wasserstoff-Brennstoffzellen und stößt während der Fahrt nur Wasserdampf aus. In dieser Woche endete das EU-Projekt "Zemship" (Zero Emission Ship) mit einer Fachtagung zum Einsatz von Brennstoffzellen auf Schiffen. Die "Alsterwasser" wird aber weiter dampfen: "Wir werden das Schiff mindestens noch zwei Jahre betreiben, mit optimierten Brennstoffzellen", sagt Heinrich Klingenberg, Geschäftsführer von Hamburgs erster Adresse für Wasserstofffahrzeuge, der HySolution GmbH.

Die "Alsterwasser" nutzt zwei sogenannte PEM-Brennstoffzellen zum Antrieb. Sie brauchen reinen Wasserstoff als Brennstoff und sind nicht allzu leistungsfähig. Das Schiff hat zwei Brennstoffzellen à 48 Kilowatt (kW) an Bord. Sie laden eine Batterie, die den einen 100-Kilowatt-Motor (130 PS) antreibt. Diese Kraft reicht gerade aus, um das 25 Meter lange, 100 Passagiere fassende Ausflugsschiff mit einer Geschwindigkeit von 14 Kilometer pro Stunde voranzutreiben.

Andere brauchen mehr Kraft - und sollen nach dem chemischen Prinzip "nur" den Bordstrom erzeugen. Sie nutzen Hochtemperaturzellen, die bis zu zehnfach leistungsstärker sind - MTU hält derzeit den Spitzenwert mit einer 500-kW-Brennstoffzelle.

Sie soll in einigen Jahren im Rahmen des Projekts PaXell auf dem sechsten Aida-Schiff in Fahrt kommen. Die Papenburger Meyer Werft testet die MTU-Brennstoffzelle bis 2012 unter Realbedingungen. Bis 2014 soll daraus ein Energiekonzept mit einem Megawatt Leistung werden - es würde etwa zu einem Zehntel den Energiebedarf des Kreuzfahrtschiffs decken. Bis 2020 hoffen die Planer, den gesamten Bordstrom aus Brennstoffzellen zu speisen. Und in 25 bis 30 Jahren sollen die Zellen sogar den Antrieb übernehmen.

Beim Aida-Konzept dient Erd- oder Flüssiggas als Energieträger, mit dem Zellen gespeist werden. Bislang war der Einsatz von Gas auf Schiffen tabu. Doch die internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO hat inzwischen Sicherheitsvorschriften für den Umgang mit Gas erlassen und es damit schiffbar gemacht. Es könnte zukünftig auch den Antrieb übernehmen, um die zunehmend strengeren Emissionsvorschriften der IMO zu erfüllen. Er ist beim Aida-Schiff bereits so ausgelegt, dass sowohl Diesel als auch Gas genutzt werden können.

Experten sehen bei Passagierschiffen, Megayachten und Fähren ein besonders großes Potenzial für den Einsatz von Brennstoffzellen. "Wir hätten bereits welche verkaufen können, wenn wir sie hätten", sagt Keno Leites von ThyssenKrupp Marine Systems (Blohm + Voss Nordseewerke). Yachteigentümer schätzten den Komfort - die Zellen arbeiten geräuschfrei und ohne Vibrationen. Das hilft der Umwelt. Unterwasserlärm entsteht vor allem durch Vibrationen des Dieselmotors.

ThyssenKrupp beteiligt sich am Entwicklungsprojekt SchIBZ, das Brennstoffzellen zum Ziel hat, die (nach einem Umwandlungsprozess) mit Dieselkraftstoff betrieben werden. Leites: "Generell wird versucht, die Brennstoffzellen mit dem Energieträger zu betreiben, der für den Schiffsantrieb genutzt wird. Das erspart die Lagerung eines zweiten Treibstoffs."

In dem im Sommer 2009 gestarteten Projekt soll der Papierfrachter "Cellus" per Brennstoffzelle mit Bordstrom versorgt werden. Das vom schwedischen Holzkonzern Södra gecharterte Schiff habe einen Strombedarf, der gut zur Brennstoffzelle passe, so Leites. "Das Modul ist im Schiff leicht zu installieren, und durch das Fahrgebiet Ostsee ist die ,Cellus' nie weit weg, sodass wir bei Bedarf leicht an der Versuchsanlage arbeiten können." Spätestens Ende 2011 soll auf dem Werftgelände eine MTU-Brennstoffzelle aufgebaut werden.

Auf dem norwegischen "Fellow Ship" ist bereits eine MTU-Brennstoffzelle (350 kW) im Einsatz. Und das unter verschärften Bedingungen: Das Schiff versorgt Bohrinseln. "Pessimisten haben der Zelle eine Lebenszeit von höchstens zwei Stunden gegeben. Jetzt arbeitet sie schon seit einigen Monaten", sagt Dr. Gerd Würsig, Experte für die Wasserstofftechnologie beim Schiffszertifizierer Germanischer Lloyd.

Es sei klar, dass Brennstoffzellen auf Binnen- und Seeschiffen funktionieren, "wir brauchen aber wettbewerbsfähige Produkte", betont Kai Klinder, Geschäftsführer der NOW, der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Noch sind die Brennstoffzellen etwa vier- bis fünfmal so teuer wie Dieselgeneratoren, die Bordstrom erzeugen. Allerdings arbeiten sie effizienter und sind fast wartungsfrei.

Alexander Overdiep, der in sechs Wochen in den Kanälen Amsterdams ein Brennstoffzellen-Schiff in Fahrt bringen will, nennt ein weiteres Hindernis, mit dem Wasserstoffschiffe zu kämpfen haben: "Das Boot war schnell entwickelt, richtig Probleme haben wir mit der Wasserstoffversorgung. Die Infrastruktur mussten wir gleich mit organisieren."

Das galt auch für die Alster-Touristik, die eine Tankstelle am Hochbahn-Betriebshof an der Hellbrookstraße baute. Ihre "Alsterwasser" sei ein voller Erfolg, bestätigen alle Experten. Kai Klinder könnte sich viele Schwesterschiffe vorstellen: "Wir bräuchten ein EU-Projekt, das 20 baugleiche Schiffe in europäischen Metropolen fahren lässt." Ähnlich wie vor Jahren bei den Wasserstoffbussen wäre dies eine Initialzündung, die Herstellungskosten senkt. Dann wäre die "Alsterwasser" bald in aller Munde.