Als Wildtier des Jahres 2010 steht dieser Waldbewohner jetzt im Rampenlicht. Von Natur aus lebt der Charakterkopf eher heimlich, ist nachtaktiv.

Wenn es raschelt im Unterholz oder aus dem Dickicht schnauft, könnte der Grund dafür einen keilförmigen, schwarz-weiß gestreiften Kopf besitzen: Der Dachs, ein Wühltier aus der Familie der Marderartigen, läuft verspäteten Wanderern im Wald mitunter vor die Füße. "Angst muss man vor Dachsen aber nicht haben", sagt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier-Stiftung in Hamburg. "Der mürrische Einzelgänger zieht sich bei der Begegnung mit Menschen meist schnaufend zurück."

Dachse halten keinen Winterschlaf, aber eine energiesparende Winterruhe. Ein vorher angefressenes Speckpolster hilft ihnen über die kalte Jahreszeit. Während die Männchen im Durchschnitt etwa zwölf Kilogramm wiegen (etwas mehr als die Weibchen), bringen sie im November mit bis zu 20 Kilo deutlich mehr auf die Waage als im März, wenn sie hungrig und nur noch etwa acht Kilo schwer aus ihrem Winterversteck auftauchen.

Als Allesfresser sind Dachse nicht gerade wählerisch, stehen aber deutlich eher auf Pflanzenkost als andere Marder. Obst, Samen, Pilze und Wurzeln machen etwa drei Viertel der Gesamtnahrung aus. Allerdings verschmäht Grimbart, wie der eher bartlose Dachs in der Fabel heißt, auch Insekten und Schnecken nicht - und Regenwürmer mag er sogar ausgesprochen gern. Zudem frisst er gelegentlich Vögel und Mäuse und lässt sich die Eier von Bodenbrütern sowie gefiederte Nesthocker und Junghasen schmecken.

Da Wolf und Luchs als seine natürlichen Hauptfeinde rar sind, hat der Dachs außer Jägern und Autorädern wenig zu fürchten. Im Jagdjahr 2007/08 wurden nach Angaben des Deutschen Jagdschutz-Verbandes (DJV) bundesweit knapp 50 000 Dachse erlegt, überfahren oder tot aufgefunden - im bisherigen Rekordjahr 2003/04 waren es fast 52 700, 1993/94 hingegen, dem ersten gesamtdeutsch erfassten, gerade einmal 19 600.

Das zeigt, wie stark sich der Dachsbestand von seiner Talsohle in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren wieder erholt hat. Die Weltnaturschutzunion führt den europaweit verbreiteten Marder auf ihrer Roten Liste inzwischen als ungefährdet auf. Auch von der deutschen Roten Liste wurde der Dachs wieder gestrichen. Dass er in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg dort geführt wurde, hängt mit der damals weit verbreiteten Tollwut bei Füchsen zusammen. Denn Dachse bewohnen häufig einen Bau gemeinsam mit dem Rotfuchs. "Befallene Füchse haben die Tollwut auf Dachse übertragen" sagt der Wildbiologe Dr. Jürgen Eylert von der nordrhein-westfälischen Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung in Bonn. Zudem seien Fuchsbaue ab 1963 bis zum Verbot in den frühen 70er-Jahren mit Giftgas vernebelt worden, um die Tierseuche einzudämmen. Seitdem Füchse stattdessen mit ausgelegten Fraßködern geimpft wurden, "ging es wieder bergauf mit dem Dachs", sagt der Wildbiologe.

Inzwischen wird der Dachs wieder stärker bejagt. Eylert nennt mehrere Gründe: Erstens sei sein Vorkommen "unstrittig gesichert", zweitens wollten manche Jäger "unbedingt wenigstens einmal im Leben einen Dachs geschossen haben", um ihn präparieren zu lassen oder sein Fell an die Wand zu nageln. Drittens sei ein zu hoher Dachsbestand gefährlich für Bodenbrüter und Junghasen. Und nicht zuletzt richteten Dachse lokal Schäden an, etwa an Bahnböschungen, auf Feldern, Golfplätzen, Wiesen.

Denn Dachse sind wahre Baumeister. Ein untersuchter Dachsbau in Niedersachsen maß etwa 2500 Quadratmeter, verfügte über 93 Löcher sowie 29 Kessel und wies insgesamt 219 Meter an Röhren und Gängen auf. Dafür mussten mehrere Dachsgenerationen etwa 13 Kubikmeter Boden bewegen. Die Baue können sehr alt sein. Nachweislich bestünden einzelne solche Dachsburgen "seit mehr als 100 Jahren", heißt es bei der Deutschen Umwelthilfe in Radolfzell.

Vor allem aber erschweren Dachse die Jagd auf Rotfüchse, wenn diese mit Terriern oder anderen Stöberhunden aus ihren Bauen aufgescheucht werden sollen. "Jäger mögen es gar nicht, wenn Dachse ihre Hunde verletzen, was sie viel eher können als Füchse", befindet Jürgen Eylert. Erlegte Dachse werden oft nur vergraben, obwohl ihr Fleisch, vor allem ihre Schinken, im Ruf stehen, "sehr wohlschmeckend" zu sein. Nur auf Trichinen müsse man es vorsorglich untersuchen. Keine Gefahr entsteht hingegen durch Rasierpinsel aus Dachshaar, wie sie etwa im erzgebirgischen Hundshübel von der Traditionsfirma Müller hergestellt werden - zum Beispiel das Modell Silberspitz-Dachszupf mit einem Griff aus Büffelhorn und Chrom. Das Unternehmen fertigt eigenen Angaben zufolge über 1,5 Millionen Pinsel pro Jahr. Für jeden Pinsel musste ein Dachs bis zu 40 000 Haare lassen.