Südlich von Paris gibt es einen der größten Schrottplätze für altes Fluggerät. Hier werden auch wiederverwendbare Teile ausgeschlachtet.

Kreischend frisst sich die Säge ins Leitwerk des ehemaligen Passagierjets. Ein Kühlmittel verhindert, dass Funken stieben. Es kracht, es stinkt, dann sinkt das Höhenruder zu Boden. Vor der ausgeweideten DC 10 türmen sich Fahrwerk, Reifen und Tragflächenteile. In Sichtweite gammelt eine von Rostflecken übersäte Boeing 747 vor sich hin.

Der Flughafen von Chateauroux, 266 Kilometer südlich von Paris gelegen, einst Brückenkopf der US-Luftwaffe für den Ernstfall im Osten und vom Flugzeughersteller Dassault als Produktionsstätte genutzt, hat schon bessere Zeiten gesehen. Heute dient er als Umschlagplatz für Frachtmaschinen, als Basis für Wartungsarbeiten - sowie als Schrottplatz und Zwischenlager für die vor drei Jahren gegründete Aircraft Fleet Recycling Association (AFRA).

Die hat sich der Wiederverwertung ausgedienter Luftfahrzeuge verschrieben und damit noch einiges vor. Weltweit nimmt die Zahl der Maschinen, die außer Dienst gestellt werden, rasant zu. Schätzungen gehen davon aus, dass in den nächsten 20 Jahren 6000 Jets und Propellermaschinen zerlegt werden müssen. 2700 stehen noch "auf Halde".

Nach dem Motto "Miles and more" legen die Verkehrsmaschinen Millionen von Kilometern zurück. Ist das Interieur erst einmal abgewetzt und nicht mehr zu erneuern, werden die Sitzreihen rausgerissen, um Platz für Luftfracht zu schaffen. Bis zu 30 Jahre - in den Vereinigten Staaten oft deutlich mehr - haben die Maschinen auf dem Buckel, bevor sie ausgemustert werden. Manche werden in diesem Stadium noch an Fluggesellschaften in Dritte-Welt-Ländern verkauft, die sich keine neuen Maschinen leisten können, sondern sich lieber auf dem Gebrauchtmarkt umsehen. Weil es am nötigen "Kleingeld" fehlt, sind dort bisweilen auch Instandhaltungszyklen und der fällige Austausch von wichtigen Teilen Makulatur. Standardprozeduren und Inspektionen einzuhalten fällt klammen Fluglinien schwer.

Werden einst gängige Flugzeugtypen nicht mehr hergestellt, werden alte Maschinen auch gern abseits der Piste auf der "grünen Wiese" geparkt, um sie noch als Ersatzteillager nutzen zu können. Eine "Abwrackprämie" gibt es nicht. Nur vereinzelt unterstützte der Weltwährungsfonds bislang Entsorgungsprojekte, um Umweltschäden zu vermeiden.

41 Mitglieder zählt die AFRA, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 2006 als Non-Profit-Organisation versteht. Darunter Boeing, Rolls-Royce, Pratt &Whitney und Volvo Aero, aber - keiner weiß, warum - kein Unternehmen aus Deutschland. Landet eine Maschine bei der AFRA in Chateauroux, werden zunächst brennbare Materialien und Giftstoffe, Kerosinreste in den Tanks, Batterieflüssigkeiten und Schmiermittel entfernt. 60 bis 65 Prozent aller Teile, so AFRA-Chef Martin Fraissignes, werden der Wiederverwertung zugeführt. Weil die AFRA vertraglich die Hälfte aller ausgemusterten Maschinen sämtlicher Fluglinien der Welt unter ihren Fittichen hat, waren das bislang schon 217 000 Tonnen Aluminium und 3700 Tonnen hochwertiger Legierungen wie Titan. Angestrebt wird eine Recyclingquote von 95 Prozent bis 2016.

Leider seien die Rohstoffpreise wieder gefallen, räumt Yves Basset von Bartin Aero Recycling, einem der Wiederverwerter, ein. "Wenn man da momentan noch 300 Euro pro Tonne bekommt, ist das schon gut", meint Bernard M. Comensoli, Experte der in Genf beheimateten JMV Aviation. Die Überreste einer Boeing 747 geben gerade mal 100 Tonnen, eine DC 10 etwa 75 Tonnen des Leichtmetalls her. Der Rest sind Kabel, zehn Prozent Stahl, Isoliermaterial, Plastik und einige Dutzend Zentner an elektronischem Material.

Da Hersteller wie Boeing und Airbus zunehmend Kompositmaterialien verarbeiten, stellt sich zudem die Frage, was mit den Verbundstoffen geschieht. AFRA-Mitbegründer Bill Carberry, Recycling-Spezialist bei Boeing, präsentiert eine schwarz lackierte Armlehne, die versuchsweise aus CFK-Resten des 787-Dreamliner gefertigt wurde. "Das ist aber nur ein Prototyp", sagt er, als wolle er sich für das noch etwas grobe Design entschuldigen.

Warum das Abwracken nicht zwangsläufig ein Verlustgeschäft ist, führt zu einer weitaus sensibleren Frage - und einer noch nicht demontierten Boeing 747-200, Baujahr 1978, deren Schwanzflosse aus einem Hangar herausragt. Im Cockpit sind Techniker mit Zange und Schraubenzieher zugange, Instrumente und Navigationsgeräte auszubauen. Besonderes Augenmerk gilt den Triebwerken. Die wiederhergestellte Turbine einer 747, kalkuliert Comensoli, ergibt gut und gerne noch mal einen Erlös, der zwischen 900 000 und 1,1 Millionen Euro liegen kann. Das Aggregat wird in zertifizierten Betrieben komplett auseinandergenommen und jedes einzelne Bauteil auf Herz und Nieren geprüft. Der Lebenslauf jedes Ventils und jeder Triebwerksschaufel muss exakt dokumentiert sein, um die Materialermüdung des betreffenden Werkstoffs und seine voraussichtliche Lebensdauer bestimmen zu können. Fraissignes glaubt, dass der auf zwei Milliarden Euro geschätzte Handel mit gebrauchten Ersatzteilen noch Potenzial birgt.

Nur allzu gut erinnern sich die Wiederverwerter aber auch an den Fall eines Lieferanten, der - bevor die AFRA entstand - Bauteile aus der Schubumkehr eines gängigen Triebwerkstyps nicht ausreichend dokumentierte. 2004 wurde der Besitzer einer italienischen Firma zu 15 Monaten Haft verurteilt, weil sich herausstellte, dass er die Papiere gefälscht hatte. Lufthansa, Air France und Alitalia mussten ihre Flotten daraufhin untersuchen, ob als "Bogus-Parts" eingestufte Ersatzteile dort eingebaut worden waren. Böse Zungen behaupteten damals, dass die betreffenden Zertifikate "leichter als eine Fünf-Euro-Note zu fälschen" seien. Seither wurden die Sicherheitsvorkehrungen nochmals verschärft. "Die Kontrolle ist lebenswichtig", sagt ein Sprecher von Lufthansa Technik.