Bislang hält sich die Erwärmung am Südpol in Grenzen. Aber dies könnte sich im Laufe des Jahrhunderts ändern - und den Meeresspiegel stärker als bislang erwartet steigen lassen.

Das Ozonloch über der Antarktis hat die Südpolarregion bislang vor der Erderwärmung geschützt. Dies ist die wichtigste Erkenntnis eines internationalen Berichts, der jetzt in London veröffentlicht wurde. Mehr als 100 führende Forscher aus 13 Ländern trugen ihre Erkenntnisse zusammen, darunter auch Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI). "Jahrzehntelang hieß es, man solle das Ozonloch und die Erderwärmung nicht zusammenschmeißen", sagt Dr. Eberhard Fahrbach vom AWI, einer der federführenden Autoren des Berichts. "Jetzt sehen wir den Ozonabbau ganz klar als einen weiteren menschlichen Einfluss auf das Klima."

Ozon ist ein Treibhausgas und sorgt damit für eine Erwärmung. Das Ozonloch, das sich durch die inzwischen weitgehend verbotenen Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW) seit Jahrzehnten über der Antarktis öffnet, führt zu einer künstlichen Abkühlung. Doch diese wohltuende Wirkung sei nicht von Dauer, warnt der Ozeanograf: "Im Laufe dieses Jahrhunderts wird sich das Ozonloch wieder schließen. Und dann haben wir, anders als bislang beobachtet, mit einer drastischen Erwärmung von bis zu drei Grad in diesem Jahrhundert zu rechnen."

Während das Meereis rund um den Kontinent Antarktika um etwa zehn Prozent zulegte, registrierten die Forscher in der Westantarktis und auf der antarktischen Halbinsel (sie reicht besonders weit nordwärts) bereits deutliche Anzeichen der Erwärmung. So ziehen sich 212 der 244 Gletscher, die das Schelfeis speisen, seit 1953 zurück. "Die Mechanismen, die die Stabilität des Eisschildes beeinflussen, sind möglicherweise sensibler als zunächst angenommen", sagt Fahrbach. Dies könne bedeuten, dass der Meeresspiegel in diesem Jahrhundert deutlich höher steigt als vom Weltklimarat IPCC erwartet (max. 59 cm). "Zusammen mit den schmelzenden Grönlandgletschern ist ein Anstieg von 1,4 Metern, vielleicht sogar zwei Metern möglich."

Zwar sei die Antarktis weniger vom Klimawandel bedroht als die Arktis, so Fahrbach. Die nördliche Polarregion liege etwa auf Meereshöhe, sie hat große Flächen, die im Sommer am Rande des Gefrierpunktes liegen. Taut das Eis, so nimmt der frei liegende, dunklere Boden mehr Wärmestrahlung auf. Fahrbach: "Die Antarktis ist dagegen ein vergletschertes Hochgebirge. In ihrem Inneren ist es auch im Sommer noch minus 40 Grad kalt."

Zudem verläuft das Windsystem über dem Südpol kreisförmiger und isoliert dadurch die Region klimatisch gegen den Rest der Welt. Diese kreisrunde Westwind-Drift wird durch das Ozonloch noch verstärkt. Am Nordpolarkreis sorgen dagegen Gebirge dafür, dass dieser Strom eher mäanderförmig verläuft und wärmere Luftmassen aus dem Süden integriert.

Während den Eisbären am Nordpol bereits ihr Lebensraum wegschmilzt, hat die Tierwelt der Antarktis bislang wenig zu fürchten. "Es scheint wahrscheinlich, dass nur wenige Arten bis 2100 aussterben", heißt es in dem Bericht. Allerdings warnt er auch: "Kaiserpinguine und andere eisabhängige Arten brauchen das Seeeis. Ein starker Eisrückgang würde sicherlich ihre Bestände beeinflussen."

Die Forschungen am Südpolarkreis liefern selbst wichtige Daten zum Klimawandel. So belegen in Eiskernen eingeschlossene Luftbläschen, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre in den vergangenen 800 000 Jahren zwischen 180 bis 280 ppm (parts per million) schwankte - heute liegt sie bei 385 ppm. Zudem traten Klimaveränderungen in der nördlichen Hemisphäre immer ein paar Jahrhunderte später auf als auf der Südhalbkugel. "Derzeit erfolgt die Erwärmung gleichzeitig", so der Bericht. "Das weist auf einen neuen Antrieb hin, der höchstwahrscheinlich auf menschlichen Einflüssen beruht."

Auch die Niederschlagsdaten bringen die Forscher derzeit ins Grübeln: Bislang wird damit gerechnet, dass der Niederschlag durch die stärkere Verdunstung über den sich erwärmenden Ozeanen in der Antarktis zunimmt - und die Eismasse wachsen lässt. Dies würde den Meeresspiegelanstieg bremsen. Doch noch sei solch ein Trend nicht beobachtet worden, sagt Eberhard Fahrbach: "Die Langzeit-Hoffnung auf den dämpfenden Effekt durch Eisbildung wird jetzt nicht mehr so hoch gehandelt."