Neue und effektive Therapiemöglichkeiten haben der HIV-Infektion viel von ihrem Schrecken genommen. Doch leider scheint auch das Bewusstsein dafür gesunken zu sein, dass es sich immer noch um eine gefährliche Infektion handelt, vor der man sich mit einfachen Mitteln - wie dem Gebrauch von Kondomen - schützen kann. Denn die Zahl der Menschen, die sich anstecken, ist seit 2000 wieder gestiegen. Seit 2001 hat sich laut dem Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) die Zahl der Menschen in Deutschland, die sich pro Jahr mit dem HI-Virus neu infizieren, mehr als verdoppelt. Für das Jahr 2009 werden etwa 3000 Neuinfektionen erwartet.

Allein für Hamburg geht das RKI für das Jahr 2009 von 200 Neuinfektionen aus (180 Männer, 20 Frauen). 30 Patienten in Hamburg sind in diesem Jahr an den Folgen der Infektion gestorben. Zurzeit leben in der Hansestadt etwa 5900 Menschen mit einer HIV-Infektion, seit Beginn der Epidemie sind hier etwa 2200 Menschen daran gestorben.

"Die Zunahme der Neuinfektionen betrifft vor allem die Gruppe der homosexuellen Männer", sagt Prof. Andreas Plettenberg, Leiter des Ifi-Instituts für interdisziplinäre Medizin auf dem Gelände der Asklepios-Klinik St. Georg. In diesem Zentrum für Infektionskrankheiten werden auch viele HIV-Patienten behandelt. Als Gründe für die Zunahme der Infektionen nennt Plettenberg vor allem veränderte Sexualpraktiken (weniger Safer Sex) und die Zunahme anderer sexuell übertragbarer Erkrankungen wie Syphilis oder Gonorrhoe, die dazu führen, dass HIV leichter übertragen wird. 30 Prozent aller HIV-Infektionen sind nach Schätzungen nicht diagnostiziert und behandelt, warnt Privatdozent Dr. Jan van Lunzen vom Universitätsklinikum Eppendorf. Deswegen geht sein Appell an Risikogruppen wie Homosexuelle und Drogenabhängige, aber auch Migrantinnen aus Afrika und Osteuropa, sich auf HIV testen zu lassen.

Für die Behandlung der Erkrankung zeichnet sich eine neue Entwicklung ab. "Neue Erkenntnisse haben dazu geführt, dass die Behandlung der HIV-Infektion zunehmend schon in einem früherem Stadium begonnen wird", sagt Plettenberg. Ansonsten würde durch die Millionen Viren, die täglich ungehemmt im Körper des Patienten gebildet und abgebaut werden, sein Immunsystem ständig aktiviert, wodurch das Risiko für das Fortschreiten der Krankheit und das Auftreten von Komplikationen erhöht werden. "Mit einem frühzeitigen Therapiebeginn lässt sich der Krankheitsverlauf jedes Einzelnen positiv beeinflussen. Außerdem hoffen wir, dass durch die größere Zahl behandelter Patienten insgesamt die Infektiosität sinkt und damit auch die Zahl der Neuinfektionen", sagt der Infektiologe.

Für die HIV-Therapie stehen mittlerweile 27 zugelassene Substanzen zur Verfügung. "Die Therapien können immer individueller erfolgen, sind einfacher einzunehmen (weniger Tabletten), besser verträglich und wirksamer. Dies hat zur Folge, dass der Anteil an Patienten, bei denen durch die Behandlung die Virusvermehrung so sehr unterdrückt werden kann, dass diese im Blut nicht mehr messbar ist, kontinuierlich steigt", sagt Plettenberg.