Ab heute unter www.abendblatt.de/facebookblog berichtet Autor Nils Jacobsen über seine Erfahrungen mit der Parallelwelt.

Können 300 Millionen Menschen irren? Das Social Network Facebook ist die neue Kommunikationsplattform, um Kontakte zu pflegen. Wie der Einstieg funktioniert und dass man auf Facebook Freunde, Bekannte und Kollegen schnell von einer ganz anderen Seite kennenlernt, schildert Abendblatt-Autor Nils Jacobsen seit heute im Facebook-Blog bei abendblatt.de.

Barack Obama ist drin. Roger Federer ebenso. Auch Karl-Theodor zu Guttenberg, der "coole Baron" ("Stern"), verkündet seine Video-Botschaften über die nach Google zweitmeistbesuchte Website der Welt - Facebook. Die Prominenten sind nur drei von 300 Millionen Mitgliedern des größten sozialen Netzwerks unserer Zeit, das sich auch in Deutschland immer größerer Beliebtheit erfreut. Die Superlative reißen nicht ab. Um mehr als 400 Prozent haben die Nutzerzahlen binnen eines Jahres zugelegt, kein Social Network wird mehr genutzt als die US-Plattform. Sechs Millionen Bundesbürger sind Mitglied.

Die Keimzelle: ein Fotoalbum der Studenten

Dabei hat alles klein und unglamourös angefangen. Facebook, wie der Name sagt, hat mit Gesichtern zu tun. Genauer: Ursprünglich mit Studenten in amerikanischen Colleges, die stets ein Jahrbuch mit Fotos ihrer Kommilitonen erhalten - ein "Facebook" eben.

Gründer Mark Zuckerberg gelang der Transfer ins Online-Zeitalter, obwohl der Informatik-Student ursprünglich anderes im Sinne hatte: Angeblich wollte sich der damals 19-Jährige an seiner Ex-Freundin rächen und online über ihre Attraktivität abstimmen lassen. Wie bei den Gladiatorenkämpfen im alten Rom kann es nur einen geben: zwei Studentenfotos nebeneinander, ein Mausklick entscheidet - Daumen hoch oder runter. "Facemash" hieß dieses Ergebnis einer durchprogrammierten Nacht, das Zuckerberg mit einem gehackten Datenverzeichnis startete und das schon am nächsten Tag vom Verwaltungsrat der Elite-Uni kassiert wurde - Verweis inklusive. Doch die Idee einer vernetzten Freundesliste war geboren. Der introvertierte Computerfreak stellte knapp ein halbes Jahr später "the facebook" ins Netz.

Das Studentennetzwerk wurde in Harvard sofort zum Campus-Gespräch, binnen Wochen folgten andere Ostküsten-Unis, innerhalb von drei Jahren die ganze Welt - der Rest ist ein modernes Internet-Märchen.

Hilferuf: In welcher Farbe soll ich meine Wände streichen?

Was ist Facebook eigentlich? Ein Ort, der "es dir ermöglicht, mit Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten und Inhalte zu teilen", so das krude Selbstverständnis des kalifornischen Internet-Unternehmens. Das ist Understatement. Denn Facebook ist eine virtuelle Wundertüte, so bunt wie das Leben. Hat man ein Profil angelegt, kann man alles auf Facebook machen: alte Klassenkameraden oder Kommilitonen aufspüren, sich mit Kollegen vernetzen, Urlaubsbilder mit Freunden tauschen, rund um den Erdball flirten - und abstimmen lassen, in welcher Farbe man seine Wände streichen soll.

Oft hat dieses virtuelle Leben nur bedingt etwas mit dem Alltag zu tun: Denn man teilt nur mit, was man von sich zeigen will - das aber sichtbar an alle Freunde. So entsteht schnell ein neues Image, eine Netz-Identität, die oft konzentrierter, spannender und glamouröser ist als der Alltag. Facebook wird somit zum großen Persönlichkeitsverstärker, dessen Versuchung selbst gestandene Manager und ausgewiesene Kommunikationsexperten erliegen. Heimlich wären viele gern ein kleiner Star. Das produziert Selbstdarsteller. Längst ist Facebook zur persönlichen Klatsch-Seite geworden - nur, dass man nicht in Glamourzeitschriften blättert, sondern im Privatleben seiner Facebook-Freunde.

Nach dem Motto "Alles ist öffentlich" teilen immer mehr Facebooker ungeniert ihre aktuelle Befindlichkeit über Arbeit, Freizeit oder Partnerschaft ("Es ist kompliziert") mit - bis hin zur regelrechten Selbstentblößung.

Es menschelt bei Facebook. "Eigentlich sollten wir erwachsen werden", lautet das Motto des Erfolgsmagazins "Neon" und beschreibt das vielfache Lebensgefühl von 18- bis 35-Jährigen. Dies ist auch das heimliche Motto vieler Facebooker, wobei die Betonung auf der Einschränkung liegt: eigentlich. Das boomende Netzwerk lässt sie nicht - oder weckt den Teenager im Investmentbanker, der hemmungslos auf der Pinnwand mit der Praktikantin flirtet, während sich die Pressesprecherin eines Telekommunikationskonzerns die Prahlerei mit ihren weiblichen Vorzügen nicht verkneifen kann und ungeniert ein Profilfoto mit knappem Bikini hochlädt.

Mehr über die Erfahrungen im Paralleluniversum Facebook seit heute im neuen Abendblatt-Blog. Status-Update garantiert.