Neues zu lernen findet unser Kopf höchst spannend. Werden die Nervenzellen aber nicht ständig gefordert, dann verkümmern sie.

Das Gehirn ist von sich aus faul. Nur wer es regelmäßig und umfassend herausfordert, verhindert, dass es schrumpft. "Passivität ist der größte Feind eines funktionstüchtigen Gehirns", sagt Hirnforscher Dr. Arne May vom Institut für Systemische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). "Ich bin fest davon überzeugt, dass unser Gehirn gern Neues lernt, denn vor allem dann wird das körpereigene Belohnungssystem aktiv."

Mit dem Lernen verändert sich zugleich die Architektur des Gehirns. Ebenso wie Muskeln können auch einzelne Gehirnregionen bei regelmäßigem Training wachsen. Beispielsweise erhöht das Erlernen von Jonglieren die "Verdrahtung" von Nervenzellen im Gehirn. Dies zeigten jetzt Forscher der Universität Oxford mit einem Experiment, das sie in der britischen Fachzeitschrift "Nature Neuroscience" veröffentlichten.

Die Wissenschaftler untersuchten mit Hilfe eines Kernspintomografen die Gehirnsubstanz von 48 jungen Erwachsenen, die nicht jonglieren konnten. Die Hälfte erlernte in einem sechswöchigen Kurs die Kunst des Jonglierens, sie übten 30 Minuten am Tag. Die anderen setzten ihr normales Leben fort. Bei einer erneuten Untersuchung sechs Wochen später stellten die Forscher bei den Jonglierern fest, dass sich deren weiße Gehirnsubstanz im Unterschied zu den ungeübten Versuchsteilnehmern verändert hatte. Diese Zellen sind das "Straßennetz des Nervensystems". Sie verbinden das Großhirn mit anderen Gehirnteilen und verknüpfen die Zentren des Großhirns untereinander.

Die UKE-Forscher hatten bereits zuvor in Studien herausgefunden, dass Jonglieren graue Nervenzellen sprießen lässt - und das nur eine Woche nach dem Trainingsbeginn. Diese Nervenzellen dienen der Informationsverarbeitung. Die dicht gepackten Neurone finden sich in den Bereichen des Gehirns, die an Muskelkontrolle, Sinneswahrnehmungen wie Sehen und Hören, Gedächtnisvorgängen, Gefühlen und Sprache beteiligt sind.

Und die Hamburger Wissenschaftler erlebten noch eine weitere Überraschung: "Unser Gehirn findet es vor allem spannend, etwas Neues zu lernen. Dann entstehen neue Zellen und neue Verbindungen. Das Neue dann perfekt zu lernen, dafür verändert es sich schon deutlich weniger", erzählt Mediziner Arne May. Kein Wunder also, dass Üben langweilig ist.

Die Forschungsergebnisse bedeuten nun nicht, dass jeder hinausgehen und beginnen muss zu jonglieren, um das Gehirn zu fördern. "Jede Art, das Gehirn zum Arbeiten zu bringen, ist eine gute Sache", sagt Arne May. Schon alltägliche Übungen können es auf Trab halten.

Besonders gut lässt sich der Geist in Kombination mit Bewegung trainieren. Sport ist so etwas wie "Dünger" für das Gehirn. Sportliche Bewegung kann den Alterungsprozess aufhalten, ja sogar umkehren. Zügiges Gehen, Laufen, Schwimmen, Tanzen oder Radfahren sind ideal - aber sie müssen konsequent betrieben werden, sonst schrumpft das Gehirn postwendend.

Der Versuch der britischen Forscher belegt zudem einmal mehr, dass das Gehirn auch bei Erwachsenen "formbar" und anpassungsfähig ist. Und das geht, wie die Hamburger Wissenschaftler in ihrer Studie zeigten, bis ins hohe Alter.

Lebenslanges Lernen könnte somit der Schlüssel sein, vermutet der Hamburger Mediziner, um den natürlichen Prozess des Zerfalls des Gehirns zu unterbinden und geistig gesund zu altern. "Bleiben Sie rege, dynamisch und fit, lassen Sie sich herausfordern. Wer fast nur noch vor dem Fernseher hockt und sich berieseln lässt, dessen Gehirn wird kleiner", betont Arne May. Um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, gibt es also wirklich einen Weg: Ständig Neues lernen und neugierig bleiben.

Sorgen, dass einem bei so viel Neuem der Kopf platzt, muss man sich aber nicht machen - die Veränderungen im Gehirn verlaufen im Kleinen. Womit bewiesen ist: Der Unterschied steckt im Detail.