Kaum hatte das Nobelkomitee die Namen der Preisträger bekannt gegeben, brach auf dem Gelände des Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) in Bahrenfeld Begeisterung aus.

"Wir sind alle elektrisiert von der Nachricht, dass Ada Yonath geehrt wird. Das ist ein toller Tag für Hamburg, das Desy, die Max-Planck-Arbeitsgruppe und unsere Wissenschaftsrichtung, die Strukturbiologie", freut sich Dr. Matthias Wilmanns, Leiter des Europäischen Molekularbiologischen Labors (EMBL) in Hamburg.

Die in Israel geborene Molekularbiologin Ada E.Yonath, heute am Weizmann-Institut in Rehovot, hat von 1986 bis 2004 in Hamburg in der Max-Planck-Arbeitsgruppe für strukturelle Molekularbiologie am Desy geforscht. "Hier fand sie ideale Bedingungen vor, um die Struktur der Eiweißfabriken in der Zelle zu knacken, das Geheimnis zu lüften, wie Erbinformation ins Lebendige übersetzt wird", sagt ihr langjähriger Kollege, Prof. Eckhard Mandelkow. Er bewundert, wie entschlossen, konsequent und unorthodox sie diese Herausforderung meisterte, wie stoisch sie Lästereien von Kollegen - "das geht nie!" - hinnahm. "Als ich mit der Forschung begann, wusste ich, dass ich einer zentralen Frage des Lebens auf der Spur war. Ob ich die Antwort finden würde, da war ich mir nicht immer sicher", sagte die Preisträgerin im Gespräch mit dem Nobelpreiskomitee gestern.



Den Preis erhält die 70 Jahre alte Wissenschaftlerin gemeinsam mit den beiden US-Forschern Thomas A. Steitz (69, Yale University, Connecticut) und Venkatraman Ramakrishnan (57, Cambridge, UK), weil sie einen "Kernprozess der Lebens" entschlüsselt haben. Dem Trio gelang es, die atomare Struktur der zellulären Eiweißfabriken zu knacken. Die Ribosomen, so der Fachausdruck, lesen die Erbinformation ab und produzieren mit Hilfe dieser Bauanleitung die Proteine, die Bausteine des Lebens. Zehntausende unterschiedlicher Proteine gibt es in jeder Zelle. Aus ihnen bestehen Zellwände, Muskeln, Sehnen oder Nerven, sie beeinflussen als Hormone den Stoffwechsel, katalysieren als Enzyme chemische Reaktionen. Sie lassen uns sehen, riechen, hören, denken, fühlen, reden. "Letztlich machen sie erst diese Pressekonferenz möglich", so der Sprecher des Nobelpreiskomitees.


Die Erkenntnisse über Bau und Funktion der Ribosomen liefern zudem einen wichtigen Beitrag, um neue Antibiotika zu entwickeln. "Ich muss gestehen, dass ich anfangs nicht glaubte, wir könnten genau erklären, wie Antibiotika Bakterien abtöten. Doch wir haben es geschafft", stellte die Forscherin klar. Schon heute zielen etwa 50 Prozent dieser Medikamente darauf ab, die Ribosomen in Bakterien lahmzulegen, ohne die des Menschen zu schädigen. Mit ihrer Forschung haben die Wissenschaftler nun die Basis gelegt, um neue Antibiotika zu designen.


Zwischen den drei Preisträgern gab es all die Jahre einen handfesten Konkurrenzkampf darum, wer als erster mit Hilfe von Kristallografie, Synchrotronstrahlung und Elektronenmikroskopie die Struktur knackt. Die Schwierigkeit: Die aus Proteinen und Erbsubstanz bestehenden Ribosomen sind superklein, äußerst instabil und verschachtelt gebaut. Nach fast vier Jahrzehnten Forschung veröffentlichten schließlich alle drei Rivalen um das Jahr 2000 herum ihre Struktur. Fast hätte die Pionierin Yonath, der zweifellos die meiste Anerkennung gebührt, das Rennen verloren. Sie stellte ihre Analysen erst nach denen ihrer Konkurrenz vor - aber ihr Ergebnis war von höchster Brillanz.


"Wir sind aber noch nicht am Ende", sagt die frisch gekürte Preisträgerin, während ihre Enkeltochter im Hintergrund lacht. Ihre Enkelin sei sehr stolz auf sie, verriet die hörbar gerührte Oma, "das macht mich noch glücklicher."