Wenn man den Mund aufmacht, geht es nicht nur um Äußerlichkeiten. Denn schiefe Zähne können auch chronische Kopf- oder Rückenschmerzen verursachen, erklärt eine Hamburger Fachärztin.

Ein fehlender Zahn im Gebiss lässt sich heute schnell ersetzen. Zahnmediziner schließen die Lücke, zum Beispiel mit einer Brücke oder mit einem Metallstift, der im Kieferknochen verankert wird (Implantat) und dem eine Krone in Zahnform aufgesetzt wird.

Doch bei manchen Patienten bietet sich eine noch ausgefeiltere, zwar teurere, aber natürlichere Methode an, den fehlenden Zahn zu ersetzen. Eine Methode, "die selbst viele Zahnärzte oft nicht bedenken", wie die Hamburger Kieferorthopädin Dr. Luzie Braun-Durlak im Alltag immer wieder erfahren hat.

Denn oft bietet sich ein "überzähliger", eigener Zahn als Ersatz an - wenn am Ende der Zahnreihe mit der Lücke noch der Weisheitszahn steht. Dieser kann inklusive der benachbarten Zähne so weit in Richtung Lücke geschoben werden, dass sich die Zahnreihe wieder komplett schließt. Das kann Jahre dauern, aber der medizinische Vorteil: "Es müssen keine Zähne abgeschliffen werden, um eine Brücke zu befestigen, und es wird kein Fremdkörper eingesetzt", sagt die Hamburger Kieferorthopädin, die sich in ihrer Praxis auf die Korrektur von Fehlstellungen der Zähne bei Erwachsenen spezialisiert hat.

Ihr Fachwissen gibt sie in Fortbildungskursen an Zahnärzte weiter. Vielfältig sind die Methoden, Zähne zu verschieben. Bei kleineren Korrekturen reichen Kunststoffschienen, die alle zwei Wochen gewechselt werden müssen, aber unsichtbar sind. Manchmal soll eine Lücke geschlossen, manchmal eine Minilücke geweitet werden, um Platz zu schaffen für Zahnersatz. Wenn Zähne bewegt werden sollen, ist immer eine Art Klammer im Spiel. Nur mit einem komplizierten System aus Druck- und Zugkräften lassen sich Zähne verschieben, fixiert mit Metalldrähten, -bändern oder Kunststoffschienen (siehe Extratext). "Korrekturen können in jedem Alter vorgenommen werden", sagt die Ärztin.

Ein typischer Fall: Eine Patientin, Mitte 50, hat noch einen Milchzahn (wie viele Erwachsene). Jetzt wackelt er und muss raus. Ihr bleibender Eckzahn liegt quer im Kiefer, wie das Röntgenbild zeigt, zwei Zahnbreiten von der Stelle, in die er gehört. "Den habe ich hinbekommen, wo er hin sollte", sagt Braun-Durlak. Dafür musste die Patientin anderthalb Jahre eine feste Klammer tragen. Sie diente als Bezugspunkt, von dem aus der versteckte Eckzahn langsam in die Lücke dirigiert wurde.

Dafür klebt ihm die Fachärztin eine Mini-Kette an, die über die Spange regelmäßig angezogen wird. So gelangt der Zahn in die Wunschposition, "ohne dass seine Blut- und Nervenversorgung zerstört wird", so die Ärztin.

Die gesetzliche Kasse zahlt solche Korrekturen nur im Ausnahmefall bei Versicherten über 18 Jahre. Die Kosten betragen oft mehrere Tausend Euro. Dennoch sollten sich Kassenpatienten über mögliche Korrekturen informieren. Die Kosten für eine Beratung beim Kieferorthopäden (mit Kassenzulassung) zahlt die Kasse.

Als Grundprinzip gilt: Je "unsichtbarer" eine Lösung, desto teurer ist sie. Bis zu fünfstellige Beträge kann es kosten, wenn sehr aufwendige, langjährige kieferorthopädische Behandlungen anstehen mit "unsichtbaren" Zahnspangen. Dafür wird das Klammersystem zum Beispiel an der Zahninnenseite befestigt, sodass andere auch bei strahlendem Lächeln nichts bemerken. Spangen im sichtbaren Bereich sind leichter anzubringen und kostengünstiger.

Weniger aufwendig ist es, einzelne schiefe Zähne zu richten. 60 Prozent der Patienten kommen, "weil's ihnen vorne nicht gefällt", sagt Braun-Durlak. Viele Frauen zwischen 30 und 50 Jahren lassen sich aus kosmetischen Gründen behandeln. Eine typische Begründung: "Meine schiefen Zähne haben mich schon immer gestört."

Doch was zunächst ästhetischen Ansprüchen genügen soll, macht oft auch medizinisch Sinn. "Ästhetik und Medizin sind schlecht zu trennen", sagt Luzie Braun-Durlak. Denn Zähne, die aus der Reihe tanzen, lassen sich meist auch schlecht reinigen oder lockern sich mit der Zeit, weil ein passgenauer Gegenbiss durch einen gegenüberliegenden Zahn fehlt. Die Folge: Zahnfleischentzündungen bis hin zu Kopfschmerzen oder Verspannungen im Nacken. Viele ihrer Patienten seien zuvor wegen ihrer Schmerzen bei Neurologen, Orthopäden und HNO-Ärzten gewesen, erzählt die Kieferorthopädin, "niemand konnte ihnen helfen". Denn oft liegt die Ursache unbestimmter Schmerzen im Gebiss. Ein Knackgeräusch im Kiefer kann auf solche Ursachen hinweisen. Manchen Schmerzgeplagten wurde erst durch eine kieferorthopädische Behandlung geholfen.

Und die Scheu vor sichtbaren Zahnspangen ist gesunken. Ein Trend, der aus den USA kommt. Braun-Durlak: "Dort gilt eine Zahnspange als Statussymbol." Sogar 20- bis 30-Jährige finden das oft trendy. Und eine Altersgrenze bei den Patienten gibt es auch nicht. "Ich habe Patienten, die 70 sind und älter."