Forscher wollen Rätsel um Zug der Schmetterlinge lösen. In Mexiko startet der Monarchfalter mit Peilgerät. Die Folgegeneration schafft es bis Kanada - und zurück.

Lawrence. Wird er davonfliegen? Wird der orange und schwarz gezeichnete Monarchfalter sich in die Lüfte schwingen? Erwartungsvoll schauen Prof. Martin Wikelski, Direktor am Max-Planck-Institut in Radolfzell, und Prof. Chip Taylor von der Universität Kansas (USA) auf den Schmetterling, dem sie zuvor einen winzigen Sender angeklebt haben. Er fliegt, und die beiden Wissenschaftler folgen den Signalen, die der Schmetterling sendet, zunächst im Flugzeug und dann im Auto. Gut 17 Kilometer vom Startpunkt in Lawrence entfernt, einem kleinen Ort im US-Bundesstaat Kansas, entdecken sie das Versuchstier im Gebüsch und befreien es vorsichtig von seiner Last.

"Der knapp einen Zentimeter große Sender ist 200 Milligramm schwer, das ist immerhin fast ein Drittel des Eigengewichts des Schmetterlings, die 700 Milligramm auf die Briefwaage bringen", sagt Prof. Wikelski. Der Biologe zählt zu den Pionieren auf diesem Forschungsgebiet. So versah er als Erster Bienen mit Mini-Sendern. Er beobachtete auch die Wanderung von Streifengänsen über den Mount Everest, von Albatrossen und Schildkröten auf den Galápagos-Inseln, von Fettschwalmen in Venezuela, von Libellen in New Jersey oder Orchideenbienen in Panama mit dieser Technik. Und bevor die Mini-Sender in Kansas an Monarchfaltern zum Einsatz kamen, testete Wikelski sie an Artgenossen, die im Schmetterlingshaus auf der Insel Mainau (Bodensee) aufgewachsen waren. "Zunächst taumelten die Falter etwas, aber sie hatten sich schnell an das Gewicht gewöhnt."

Auch die Falter in Kansas stellen sich schnell um. Nach dem ersten Erfolg schickten Wikelski und Taylor weitere Tiere mit Sendern auf die Reise und folgten ihnen. Dabei machten sie eine wichtige Beobachtung: "Egal, ob wir die Tiere mit einem Schmetterlingsnetz eingefangen oder in Kansas im Labor aufgezogen hatten - immer zogen sie Richtung Nordosten. Die Monarchfalter müssen also von Geburt an wissen, wo es langgeht", sagt Prof. Wikelski. Und der Weg, den die Tiere zurücklegen, ist weit. Einzelne Tiere bewältigen eine Distanz von 3600 Kilometern. Jedes Jahr im März starten Millionen von Individuen in den Bergen von Mexiko in Richtung Norden - im Herbst werden deren Urenkel zurückkehren.

Im April erreichen die Mexiko-Falter den Rio Grande, der an der Grenze zwischen den USA und Mexiko fließt. Dort legt jedes Weibchen seine Eier ab. Die mexikanische Generation stirbt. Die nächste Generation, die am Rio Grande heranwächst, setzt die Wanderung fort. Die erwachsenen Tiere dieser Generation erreichen den Norden der USA. Doch erst deren Nachkommen ziehen hinauf bis zu den Großen Seen in Kanada und legen dort ihre Eier ab. "Die Schmetterlinge, die aus diesen Eiern erwachsen, leisten Großartiges. Sie überqueren mithilfe kräftiger Aufwinde den Eriesee und ziehen die 3600 Kilometer gen Süden, um im Spätherbst wieder in Mexiko zu landen", erzählt Wikelski. Dabei fliegen die Tiere in Höhen bis zu 1250 Meter.

Warum die Falter dieses Marathon zurücklegen, wissen die Forscher nicht. Auch das Rätsel, welcher geheimnisvolle Instinkt die Schmetterlinge auf ihrem Zug leitet, haben die Forscher bislang nicht lösen können. Vielleicht gelingt das mit der neuen Methode.

Martin Wikelski hat noch viel mehr vor. Sein Traum: die Wanderungen kleiner Tiere wie Insekten, Fledermäuse und Singvögel rund um den Globus zu erforschen. "Auch um mehr über die Verbreitung von Krankheitserregern wie Ebola-Viren, Vogelgrippe-Viren oder West-Nil-Viren zu erfahren, die oft als blinde Passagiere mitreisen."

Eines wird die neue Methode sicherlich ermöglichen: "Wir können endlich die Wanderungen von Walen, Vögeln, Fledermäusen und Insekten vergleichen und Gesetzmäßigkeiten beschreiben, die uns erlauben, auch Vorhersagen zu treffen. Beispielsweise, um die Route von Wanderheuschrecken, die bei Massenauftreten ganze Landstriche verwüsten können, vorauszusagen", sagt der Biologe, der gern den Zug der Distelfalter erforschen möchte, die jedes Jahr im Frühjahr aus Nordafrika nach Deutschland wandern.

Die Daten, die die Forscher rund um den Globus sammeln, tragen sie auf dem Internet-Museum "movebank" zusammen, das Martin Wikelski und Roland Kays ins Leben riefen.

Infos über Tierwanderungen: www.monarchwatch.org www.movebank.org/