Schlucken statt Spritzen - unter diesem Schlagwort wurde am Mittwoch in der Hamburger Endo-Klinik ein neues Medikament vorgestellt, das künftig Patienten die Nachbehandlung von Hüft- und Knieoperationen erleichtern soll.

Schlucken statt Spritzen - unter diesem Schlagwort wurde am Mittwoch in der Hamburger Endo-Klinik ein neues Medikament vorgestellt, das künftig Patienten die Nachbehandlung von Hüft- und Knieoperationen erleichtern soll. Pradaxa (Wirkstoff Dabigatranetexilat) von der Firma Boehringer Ingelheim wird zur Vorbeugung von Thrombosen eingesetzt. Es muss nicht -wie das bisherige Standardmedikament Heparin - gespritzt, sondern kann als Kapsel eingenommen werden. Vor vier Wochen hat die europäische Arzneimittelbehörde das Mittel zur Vorbeugung von Thrombosen nach Knie- und Hüftgelenksersatz zugelassen.

Nach solchen Eingriffen ist das Risiko für eine Thrombose in den Bein- oder Beckenvenen besonders hoch. Ohne vorbeugende Medikamente, so der Orthopädieprofessor Andreas Kurth von der Uni Frankfurt, läge die Rate der Venenthrombosen bei Patienten nach Hüftgelenksersatz bei 42 bis 57 Prozent und beim Kniegelenksersatz zwischen 41 und 85 Prozent. Gefährlich sind diese Blutgerinnsel, weil sie sich von den Venenwänden lösen und zu Lungenembolien führen können, mit möglicherweise tödlichem Ausgang. Deshalb erhalten die Patienten, meist für vier bis sechs Wochen nach der OP, vorbeugende Mittel. Die Standardtherapie ist Heparin, das unter die Haut gespritzt wird - für viele Patienten sehr unangenehm.

Das neue Mittel könnte diese Prozeduren künftig vermeiden. Die Studien vor der Zulassung haben ergeben, dass Pradaxa im Vergleich zu Heparin kein erhöhtes Risiko für Blutungen mit sich bringt. Auch Hinweise auf eine Leberschädigung konnten nicht festgestellt werden. Darauf wurde besonders geachtet, weil eine Substanz der gleichen Gruppe vor zwei Jahren wegen Leberschädigungen vom Markt genommen wurde. Demnächst wird Pradaxa Konkurrenz bekommen: Eine weitere Pille zur Thrombosevorbeugung von der Firma Bayer mit dem Wirkstoff Rivaroxaban steht kurz vor der Zulassung.

Zustimmung zu dem Mittel Pradaxa kam auch von anderer Seite: "Ich glaube, dass dieses Medikament ein Durchbruch ist. Für die Patienten ist es eine erhebliche Erleichterung, wenn sie nicht mehr täglich Spritzen erhalten müssen", sagte Dr. Michael Baehr, Chef-Apotheker am Uniklinikum Eppendorf. Wie verträglich das Mittel tatsächlich sei und ob es erhöhte Blutungsrisiken oder Leberschäden mit sich bringe, werde sich erst nach der Einführungsphase feststellen lassen, wenn mehrere Hunderttausend Menschen damit behandelt worden sind. "Aber dieses Risiko besteht bei jeder Arzneimittelentwicklung", so Baehr.