Die astronomische Dämmerung dauert in Norddeutschland jetzt die ganze Nacht an. Die markantesten Sternenkonstellationen lassen sich dennoch am Firmament leicht erkennen. Orientierung gibt der Große Wagen.

Im Norden leuchtet jetzt bis tief in die Nacht der Dämmerschein, denn unsere Sonne taucht nun selbst um Mitternacht weniger als 18 Grad tief unter den Nordhorizont. Während es im Süden Deutschlands bereits dunkle Nacht geworden ist, dauert die "astronomische Dämmerung" in Norddeutschland jetzt die ganze Nacht an!

Trotz dieses Leuchtens gibt es am nächtlichen Himmel eine Menge zu entdecken - und die markantesten Sternkonstellationen sind am dämmrig hellen Firmament umso leichter erkennbar.

Hoch über unseren Köpfen stehen die sieben Sterne des Großen Wagens - wir müssen uns fast den Hals verrenken, um sie zu sehen. Der Große Wagen ist kein eigenes Sternbild, sondern nur der hellere Teil des viel größeren Sternbildes Großer Bär.

Verlängern wir die Hinterachse des Wagens etwa fünfmal, so stoßen wir auf halber Höhe über dem Nordhorizont auf den Polarstern - den Nordstern. Lassen wir unseren Blick vom Polarstern senkrecht herunter zum dämmrig aufgehellten Nordhorizont schweifen, so finden wir dazwischen die Zickzacklinie des Himmels-Ws. Dieses zirkumpolare Sternbild - die Kassiopeia, wie sie offiziell heißt - hat seine tiefste Stellung erreicht.

Im Nordwesten funkelt horizontnah der Stern Capella im Fuhrmann. Von den beiden Zwillingssternen Kastor und Pollux über den Planeten Mars im Krebs führt der Tierkreis

nach Südwesten zum Löwen mit dem Planeten Saturn. Er leuchtet in einem ruhigen goldgelben Licht links neben dessen Hauptstern Regulus.

Ab dem 9. Mai bewegt sich auch der Mond durch diesen Teil des Tierkreises - er wandert durch die Zwillinge, zieht am 10. Mai am Mars vorbei und begegnet als Halbmond am 12. Mai Saturn und Regulus im Löwen.

Am 20. Mai ist Vollmond. Im Sternbild Waage steht die dicke, volle Mondkugel dann die ganze Nacht hell und - für Sternengucker - störend am Himmel.

Verlängern wir den Bogen der Wagendeichsel, so führt er uns zu dem hellen, rötlichen Stern Arktur im Bärenhüter (lateinisch: Bootes). Der Sage nach treibt er den Großen Bären vor sich her.

Ziehen wir den Deichselbogen über Arktur hinaus noch weiter nach Süden, so treffen wir auf Spica, den bläulich funkelnden, hellen Hauptstern des Tierkreissternbildes Jungfrau.

Diese beiden hellsten Sterne des Frühlingshimmels bilden gemeinsam mit Denebola, dem Schwanzstern des Löwen, ein großes, nahezu gleichseitiges Sternendreieck - das sogenannte Frühlingsdreieck. Diese Himmelsregion ist ziemlich arm an hellen Sternen, denn wir blicken hier genau senkrecht aus unserer Sternenstadt heraus. Das Band der Milchstraße entspricht dieser flachen, nur wenige Hundert Lichtjahre dicken Sternenstadt und verläuft im Mai zu unserer Beobachtungszeit entlang dem Nordhorizont.

Hoch im Osten zeigen sich schon die Sommersternbilder: Das ausgedehnte Sternbild Herkules folgt dem Bärenhüter und die nördlichsten Sterne des Sommerdreiecks - die helle Wega in der Leier und Deneb im Schwan - steigen im Nordosten herauf.

Auf der Verbindungslinie von der rötlichen Riesensonne Arktur im Süden - hin zur bläulich-weißen Wega im Osten stoßen wir zunächst - auf etwa einem Drittel des Weges - auf den halbkreisförmigen Sternenbogen der Nördlichen Krone und weiter Richtung Wega auf das trapezförmige Herzstück des Herkules - wie dieser mächtige griechische Held Herakles von den Römern genannt wurde.

In der zweiten Nachthälfte prägen bereits die typischen Sterne des Sommers den Himmel - das vollständige Sommerdreieck und im Süden der Skorpion.

Wer bis nach zwei Uhr morgens ausharrt, der kann auch einen weiteren Planeten begrüßen. Es ist der Riesenplanet Jupiter im Sternbild Schütze.

Vergeblich suchen wir den Planeten Venus. Weder als Morgen- noch als Abendstern tritt er in Erscheinung, denn die Venus verbirgt sich hinter der Sonne und nähert sich ihrer "Oberen Konjunktion", die sie allerdings erst im Juni erreichen wird. Dafür hat der Mai einen der seltenen Auftritte des Planeten Merkur zu bieten:

Bis etwa zum 10. Mai können wir ihn in der Abenddämmerung zwischen 22 und 23 Uhr über dem Nordwesthorizont entdecken.

Mehr zum aktuellen Sternenhimmel und zur Sichtbarkeit der Planeten erfahren Sie im Planetarium Hamburg.


Der Autor ist Direktor des Hamburger Planetariums.