Wissenschaftler und Studenten der Uni Hamburg erforschen, wie schnell, wie wendig und wie einsatzfähig das Militärschiff vor 2000 Jahren war.

Stück für Stück gibt das römische Kriegsschiff seine Geheimnisse preis - derzeit auf dem Ratzeburger See. Denn dort testen Wissenschaftler und Studenten der Uni Hamburg den originalgetreuen hölzernen Nachbau aus der Antike.

Über eine der ersten überraschenden Erkenntnisse berichtete gestern Dr. Christoph Schäfer (46), Professor für Alte Geschichte: "Ohne Probleme erreichten die Ruderer damals Geschwindigkeiten von fünf Knoten, knapp zehn Kilometer pro Stunde." Bei entsprechendem Wind sorgte ein Segel für die Reisegeschwindigkeit von vier Knoten. Die experimentelle Archäologie ergab außerdem: Das 16 Meter lange und 2,80 Meter breite Schiff mit Planken aus Lärche sowie Spanten, Kiel und Formhölzern aus Eiche stellte sich als erstaunlich wendig heraus. Bei 3,5 Knoten Fahrt schaffte die Mannschaft eine 180-Grad-Wende in nur 21 Sekunden, "ein richtig guter Wert", sagte Schäfer.

Da legte sich zum Beispiel auf einem der 20 Ruderplätze der Hamburger Student Andreas Cruse in die Riemen, "fasziniert von dem Gefährt der alten Römer". Sein Einsatz ähnelt sogar dem historischen Vorbild. Denn die Forscher wissen: Auch die Mannschaften in der Antike waren keine geübten Seeleute, sondern "Landratten", Legionäre, die innerhalb weniger Wochen die Schiffe unter fachkundiger Anleitung zusammenbauten und sich auf diese Weise praktische Fahrzeuge für die Flüsse Germaniens schufen.

Wer allerdings mit dem Wissen aus dem Filmklassiker "Ben Hur" glaubt, auf den Ruderbänken hätten damals auch Sklaven geschwitzt, angetrieben vom Rhythmus Trommel schlagender Muskelmänner, dem raubt Prof. Schäfer diese Illusion. "Sklaven wurden auf diesen römischen Militärschiffen nicht eingesetzt", und statt Trommelschlägen habe der Bootsführer seine Kommandos auf Zuruf oder mit einer Signalpfeife gegeben. Solche Metall-Militärpfeifen sind sogar als museale Fundstücke erhalten.

Mit dem Nachbau des Römerschiffs aus den Hallen der Harburger Werft von Jugend in Arbeit e. V. wollen die Forscher "eine Lücke in der experimentellen Schiffsarchäologie schließen", ergänzte Dr. Rudolf Aßkamp, der Chef des Römermuseums in Haltern am See (NRW), neben den Museen in Kalk-

riese und Detmold Partner des Projekts. Mit dem Prunkstück wollen die Museen für Ausstellungen zum 2000-Jahre-Jubiläum der Varusschlacht werben, der historischen Niederlage der Römer im Teutoburger Wald im Jahre 9 nach Christi Geburt, die als "Urknall der deutschen Geschichte" gilt.

Ab Mitte Juli macht das Schiff Station im westfälischen Rheine, in Bonn und im niederländischen Nijmegen. Geplant sind auch Termine in Magdeburg, Mainz, Ingolstadt und Hannover.

Zehn Tage wird noch auf dem Ratzeburger See getestet. "Auf der Alster wäre es zu eng", sagte Schäfer. Dass alle Daten der Testfahrten wissenschaftlich ausgewertet werden, dafür sorgt Diplom-Physiker und Doktorand Alexander Wawrzyn (28) von der Hamburger Sternwarte. Er bedient die Messtechnik auf dem Vier-Tonnen-Schiff. Erwartet werden weitere Details über Beschleunigung, Reichweite, Manövrierfähigkeit.

Ende April rudert die Crew das Römerschiff über den Elbe-Lübeck-Kanal nach Lauenburg und über die Elbe zur Harburger Werft. Am 30. Mai wird das Schiff getauft - auf der Hamburger Außenalster.