“Zahlen, bitte!“: Eine Ausstellung im Paderborner Heinz-Nixdorf-Museumsforum will auf 700 Quadratmetern mit 300 Exponaten die Besucher für Mathematik gewinnen.

Was ist an 1729 schon Besonderes? Es ist halt eine ganz gewöhnliche, vierstellige Zahl. Das dachte auch der britische Zahlentheoretiker Godfrey Harold Hardy, als er seinen jungen indischen Kollegen Srinivasa Ramanujan im Krankenhaus besuchte und für die Fahrt dorthin ein Taxi mit dieser Nummer bestieg. Er befürchtete, eine so langweilige Zahl könnte ein ungünstiges Zeichen bedeuten, doch Ramanujan widersprach. "1729 ist eine sehr interessante Zahl", sagte er. "Sie ist die kleinste natürliche Zahl, für die es genau zwei Darstellungen als Summe zweier Kubikzahlen gibt: 9 hoch 3 + 10 hoch 3 = 1729 = 1 hoch 3 + 12 hoch 3." Anekdoten wie diese schmücken neben berühmten Zitaten und manchen verblüffenden Erläuterungen die Stellwände der Ausstellung "Zahlen, bitte!", die jetzt im Heinz-Nixdorf-Museumsforum in Paderborn eröffnet wurde. Auf einer Fläche von 700 Quadratmetern sollen 300 Exponate in "die wunderbare Welt von null bis unendlich" einführen, wie es im Untertitel der Ausstellung heißt. 25 Medienstationen machen das abstrakte Gebilde "Zahl" auch sinnlich erfahrbar.

An einer Stelle etwa können Besucher mit Kopfhörer hören, wie in unterschiedlichen Sprachen gezählt wird. Ein Video zeigt den ersten Countdown der Geschichte in Fritz Langs Film "Die Frau im Mond" aus dem Jahr 1929. Lang erkannte damals richtig, dass die Zuschauer beim Aufwärtszählen nicht wüssten, wann der Moment des Starts erreicht wäre. Beim Abwärtszählen dagegen bot die Null eine klare Orientierung.

Überhaupt, die Null. Heute kommt es uns selbstverständlich vor, mit dieser Zahl zu rechnen, die eigentlich das Nichts repräsentiert. Dabei wurde sie erst im siebten Jahrhundert von indischen Mathematikern entdeckt. Mit positiven natürlichen Zahlen rechnen Menschen dagegen schon seit mindestens 20 000 Jahren. Das belegt eine Nachbildung des Ishango-Knochens, des wohl ältesten mathematischen Objekts der Welt.

Als "Eingangstor zur Mathematik" möchte Norbert Ryska, Geschäftsführer des Heinz-Nixdorf-Museumsforums, die Ausstellung verstanden wissen. Die Vorbereitungen dazu begannen bereits vor eineinhalb Jahren. Als kurz darauf das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2008 zum "Jahr der Mathematik" erklärte, gab das noch mehr Rückenwind. Nun wurde die Ausstellungseröffnung nach dem offiziellen Auftakt des Mathejahres zum zweiten großen Highlight des Wissenschaftsjahres, das insbesondere junge Menschen für die Mathematik begeistern soll.

Nach anfänglicher Skepsis war Ryska selbst verblüfft, wie reichhaltig sich ein vermeintlich so abstraktes Thema wie Zahlen darstellen lässt. So kommt es zum Beispiel beim Jonglieren darauf an, dass die Flugzeiten der Bälle in bestimmten ganzzahligen Verhältnissen zueinander stehen. Ein faszinierendes Exponat ist auch die "Unendlichkeitsmaschine", die auf eine Idee des US-amerikanischen Künstleringenieurs Arthur Ganson zurückgeht: Ein zwölfstufiges Schneckengetriebe verlangsamt die Umdrehungen eines Elektromotors auf jeder Stufe um das Fünfzigfache. Aus den anfänglich 200 Umdrehungen pro Minute werden so auf den letzten beiden Stufen Drehzahlen erreicht, für die das bisher erreichte Alter des Universums von etwa 13,7 Milliarden Jahren nicht ausreicht, um eine einzige Umdrehung zu vollenden. Unvorstellbar, aber anhand der einfachen Konstruktion der Maschine durchaus nachvollziehbar.

Die Schönheit der Mathematik sei jedem zugänglich, betonte Don Bernhard Zagier, Direktor des Max-Planck-Instituts für Mathematik in Bonn, bei der Ausstellungseröffnung. Allerdings sei diese Schönheit nicht "von außen" zu sehen, sondern erfordere eine aktive Beschäftigung mit Zahlen. In einem Kurzvortrag über Primzahlen verriet er auch, wie sich mit Rechenkunst Geld verdienen lässt: Für die Bestimmung der ersten aus mindestens zehn Millionen Ziffern bestehenden Primzahl ist ein Preis von 100 000 US-Dollar ausgeschrieben. Zagier empfahl, sich über den Suchbegriff "GIMPS" (für: Great Internet Mersenne Prime Search) im Internet Informationen zu beschaffen - und sich zu beeilen. Denn gegenwärtig steht der Rekord für die größte Primzahl bereits bei 9,8 Millionen Ziffern.

Wozu so etwas gut ist? Primzahlen helfen etwa, Daten sicher zu verschlüsseln. Entdeckungen in der Zahlentheorie haben geholfen, die Positionsbestimmung mittels Satellitennavigation zu verbessern. Doch das steht für Zagier nicht im Mittelpunkt. "Man macht Mathematik, weil sie schön, aufregend, zwingend ist", sagt er. Anwendungen ergeben sich dann im Nachhinein.

Für Frieder Meyer-Krahmer, Staatssekretär im BMBF, der zur Eröffnung über Zahlen in der Politik referierte, ist die Mathematik ein allgegenwärtiger Treiber der Innovation und eine Schlüsselkompetenz, die sich alle jungen Menschen aneignen sollten. "Es gibt immer noch Menschen, die in der Öffentlichkeit mit ihrer Unkenntnis der Mathematik kokettieren", beklagte er. Zum Ende des Jahres, so sein Wunsch, sollte es mit dieser Koketterie ein Ende haben.

Um dieses Ziel zu erreichen wäre es indessen hilfreich gewesen, wenn die Ausstellung auch die verbreitete Abneigung gegenüber Zahlen und Mathematik als eigenes Thema aufgegriffen hätte. "Zahlen können etwas ungemein Beruhigendes darstellen", sagte Meyer-Krahmer. Doch viele Menschen sehen es genau umgekehrt und fürchten, dass hinter den Zahlenspielen der Politik die Menschen mit ihren wirklichen Sorgen und Bedürfnissen verschwinden.

Zählt nur noch, was sich zählen lässt? Die Ausstellung in Paderborn gibt darauf keine Antwort - aber vielleicht sie den Anstoß, im Jahr der Mathematik genauer darüber nachzudenken.


Weitere Informationen:

Die Ausstellung "Zahlen, bitte! Die wunderbare Welt von null bis unendlich" läuft bis zum 18. Mai 2008 im Heinz-Nixdorf-Museumsforum, Fürstenallee 7, 33102 Paderborn, Tel.: 05251/30 66 00, www.hnf.de ; Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag: 9-18 Uhr, Sonnabend und Sonntag: 10-18 Uhr, Montag: geschlossen, Eintritt: 4 Euro (erm. 2 Euro), Familienkarte: 8 Euro