“Wer sich beschwert, hat recht.“ Und: “Wir müssen Patienten auch als Kunden ansehen.“ Zwei ungewöhnliche Grundregeln, die Qualitäts-Trainerin Gesine Scheunemann für wichtig hält.

Das ist immer noch häufig Alltag in deutschen Arztpraxen: Wartezimmer, voll mit genervten Patienten, die trotz eines vereinbarten Termins manchmal zwei Stunden darauf warten, aufgerufen zu werden. Haben die Ärzte Schuld an der Misere? Denn im Medizinstudium lernen sie nichts von Praxismanagement. "Das müssen sie auch nicht", sagt Gesine Scheunemann (51). "Dafür sind eigentlich die Mitarbeiter da."

Und damit meint sie auch sich selbst. Denn die Arzthelferin und Diplom-Sozialwirtin ist eine Spezialistin auf dem Gebiet der Organisation von Praxisabläufen.

Gesine Scheunemann schult Kolleginnen, die anschließend den Titel "Qualitätsmanagement-Beauftragte" (QM) führen dürfen. 120 Stunden in sechs Modulen dauert die Weiterbildung. Und in dieser Zeit muss auch das eine oder andere Vorurteil dran glauben.

"Wer sich beschwert, hat recht", sagt die Qualitäts-Trainerin.

Dies als Faustregel anzuerkennen, ist so etwas wie ein erster Schritt auf dem Weg vom Patienten (der lateinischen Wortbedeutung nach der Leidende) hin zum "Kunden, der König ist". "Den Patienten auch als Kunden sehen", das ist das Anliegen von Gesine Scheunemann. Aber was ändert das am Praxisablauf?

"Es macht deutlich, dass wir in einer Dienstleistungsbranche arbeiten", sagt Scheunemann.

Und das Ziel müsse sein, die Patienten auch als Kunden zufriedenzustellen.

Doch eine solch grundlegende Bewusstseinsveränderung funktioniere nur, wenn alle Praxisbeschäftigten dabei mitzögen - vom Arzt beziehungsweise der Ärztin bis zu den Fachkräften am Empfangs-Tresen. Doch manchmal hapere es gerade am erforderlichen Informationsaustausch untereinander.

Dabei seien regelmäßige "Teamgespräche" sogar gesetzlich vorgeschrieben in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, des höchsten Gremiums der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen.

Bisweilen mache auch der Ton die Musik. Auch auf Beschwerden könne man professionell reagieren. So halte sie es für selbstverständlich, Patienten, die unvorhergesehen warten müssten, einen Kaffee oder Wasser anzubieten.

Jede Facharztpraxis habe ihre individuellen Erfordernisse, sagt Scheunemann. So könne es durchaus sinnvoll sein, etwa in einer Kinderarztpraxis, grundsätzlich keine festen Termine zu vergeben. Wenn allerdings abzusehen sei, dass die Wartezeit länger als eine dreiviertel Stunde dauere, sollte man den Patienten lieber die Möglichkeit geben, später wiederzukommen als so lange zu warten.

Denn ein grundsätzlicher Fehler lasse sich oft vermeiden: "Es werden zu viele Patienten angenommen", sagt Scheunemann.

Oft seien die für die Patienten veranschlagten Zeiten zu kurz, und manchmal fehle es an entsprechender Disziplin bei der Behandlung. "Wenn zum Beispiel ein Notfall dazwischengenommen wird", so die Praxisorganisatorin, "dann darf auch nur das akute Problem behandelt werden und nicht gleich noch andere Behandlungsschritte vorgenommen werden, weil der Patient nun gerade schon da ist." In solchen Fällen appelliert sie auch an die "Disziplin der Ärzte", ohne die es ein optimales Praxismanagement nun mal nicht gäbe. Dank elektronischer Praxissysteme "kann heute mehr standardisiert werden, als tatsächlich gemacht wird", ist Scheunemann sicher. Als QM-Beauftragte der Praxis Nuklearmedizin Spitalerhof, die im August 2002 erfolgreich zertifiziert wurde, hat sie einen elektronischen Terminkalender selbst mitentwickelt, "zugeschnitten auf unsere Bedürfnisse".

So bekommen die Kolleginnen schon während der telefonischen Terminvergabe Gesprächsleitfäden mit, welche Informationen für die Patienten wichtig sind: wie lange die Untersuchung dauert, ob sie nüchtern erscheinen müssen, was sonst noch auf sie zukommt.

Scheunemann: "Unsere Patienten sollen schon im Vorfeld genau informiert sein."

Dass es auch bei guter Vorbereitung immer mal Probleme geben könne und sich daraus Verzögerungen ergäben, sei nicht immer zu vermeiden. "Aber wenn Patienten trotz vereinbarter Termine regelmäßig länger als 45 Minuten warten müssen, dann stimmt etwas nicht", sagt die Qualitätsmanagerin. "Solche Missstände lassen sich mit Sicherheit durch gute Organisation abstellen."


Informationen zum Lehrgang zur Qualitäts-Management-(QM-)Beauftragten: Bildungszentrum Schlump, Beim Schlump 86, 20144 Hamburg, Tel.: 040/44 13 67

www.bildungszentrum.drk.de