Archäologie. Ein Sensationsfund in Sibiriens Steppe zeugt von der unterschätzten Hochkultur der Skythen. Ein deutsches TV-Team beobachtete die Ausgrabungen.

Was sollte sich hier schon Wertvolles verbergen, dreieinhalb Meter unter der Erde, mitten in der sibirischen Steppe in der zentralasiatischen Republik Tuva? In dieser Region haben Grabräuber seit 2500 Jahren alle Kammern geplündert, die das sagenhafte Reitervolk der Skythen hinterlassen hat. Dennoch stutzten die Archäologen des deutsch-russischen Grabungsteams, als sie auf eine hölzerne Balkenkonstruktion stießen. Durch einen Schlitz der schweren Bohlen ließen sie eine Videokamera hinab und staunten. "Was wir sahen, machte uns sprachlos", so Grabungsleiter Prof. Dr. Hermann Parzinger: "Überall war Gold." Noch am selben Tag wurden die Arbeiter, bis auf die zuverlässigsten, entlassen. Denn ein solcher Schatz weckt Begehrlichkeiten. Stück für Stück legten die Archäologen den Sensationsfund frei: 9300 Goldobjekte. Diese Stücke kann die Öffentlichkeit jetzt erstmals sehen, in einer "Spezial"-Ausgabe der erfolgreichen ZDF-Reihe "Schliemanns Erben" von Peter Prestel, konzipiert von Gisela Graichen aus Hamburg (siehe Hinweis am Textende). "Mit dem Fund ist bewiesen", sagt sie, "dass die Skythen eine Hochkultur besaßen, lange bevor sie mit den Griechen zusammenkamen." Überraschend ist die Kunstfertigkeit und Schönheit der Schmuckstücke: ein verzierter, drei Kilo schwerer Halsreif aus massivem Gold, ein Köcher mit vergoldeten Pfeilen, Becher, Schuhbänder mit Tausenden Goldperlen, die mit Gold bestickte Kleidung der Fürstin oder der Kaftan des Herrschers, übersät mit Tausenden goldener Panther. Und immer wieder taucht ein Tiermotiv auf: Hirsche mit prachtvollem Geweih. Noch heute gilt das Tier in der Region als Symbol für Männlichkeit und Stärke. Reste eines Teppichs und der Bekleidung zeugen außerdem von der handwerklichen Perfektion der "Barbaren". Ein Jahr nach dem überraschenden Fund gruben die Archäologen im Sommer 2002 erneut an der zunächst geheim gehaltenen Fundstelle. Im Zentrum der Grabanlage ("Kurgan"), wo sonst die Toten liegen, 25 Meter von dem Goldschatz entfernt, stießen sie unter einem aufwendig angelegten Steinring jedoch nur auf Felsgestein. Die Erklärung der Forscher: Scheingräber sollten Räuber täuschen, ein Trick, den auch die Pyramiden-Baumeister in Ägypten beherrschten. Gefahr drohte den Archäologen bei ihrer Arbeit. Rund um die Uhr wurde das Team deshalb von Kosaken und einem Sicherheitstrupp des Innenministeriums bewacht. Denn es gab Gerüchte über Mafiabanden, die vom Goldschatz gehört hatten. Am 3. Juli 2002 kam es zu einem mysteriösen Doppelmord. Ein Kosaken-Leutnant und ein Vorarbeiter des Grabungsteams kamen in der nahen Stadt Turan auf brutale Weise ums Leben. Hatten sie sich geweigert, mit Grabräubern zusammenzuarbeiten? Die Sicherheitsmaßnahmen wurden nochmals verschärft. Das deutsche Fernsehteam, das als einziges die Arbeiten an der Grenze zur Mongolei beobachten durfte, schildert in seiner "Chronik einer dramatischen Grabung" den Fortgang. Unter einer Steinplatte legten die Wissenschaftler ein Grab mit 14 Pferdeskeletten frei. Die Zugaben: bronzenes Zaumzeug und zahllose Goldplatten, die wahrscheinlich Schweif und Mähne der Tiere geziert hatten, Opferbeigaben für den mächtigen Skythen-Herrscher. Der Goldschatz soll 2004 außer in Berlin und München auch in Hamburg ausgestellt werden, voraussichtlich im Museum für Kunst und Gewerbe. Weitere Informationen : "Das Gold von Tuva" im ZDF: Sonntag, 27.10., 19.30 Uhr ("Schliemanns Erben").