Ob für Sklaven, Bärte oder nicht gefangene Spatzen - der Staat hat seine Bürger schon vor grauer Vorzeit abkassiert. Ein Besuch im Steuermuseum könnte fast mit der modernen Abgabenlast versöhnen.

Wenn im 16. Jahrhundert der sogenannte Hellwagen durch die Städte und Dörfer der brandenburgischen Altmark rumpelte, wussten die Menschen, dass es mal wieder einigen von ihnen an den Kragen gehen würde. Denn auf dem Wagen zogen der Marktmeister und einige Stadtknechte aus, um im Auftrag des Magistrats säumige Steuerzahler zu "behelligen", also zu belästigen oder zu pfänden. Vor dem Haus eines Zahlungsmuffels hielten die Eintreiber an, hoben die Haustür aus den Angeln und beschlagnahmten sie. Wer seine Steuerschuld begleichen konnte, durfte sich nach geleisteter Zahlung seine Tür im Rathaus abholen.

Sehr viel rauer ging es vor 4300 Jahren im ägyptischen Sakkara zu. Dort band man Tributverweigerer an den Schandpfahl und hieb mit Stöcken auf sie ein. Selbst Zahlungsbereite wurden niedergedrückt, damit sie ihre Steuer gefälligst in ehrfürchtiger Haltung abgaben.

Ein wenig haben sich die Zeiten geändert. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) würde ein demütig umherkriechendes Steuervolk vermutlich ebenso wenig wollen wie das öffentliche Aushängen von Listen mit Steuersündern, wie es in Hitlers NS-Diktatur möglich war. Doch jeden Finanzminister ärgert es, dass Unternehmen und Privatpersonen nach Ansicht der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DStG) jährlich Abgaben in Höhe von etwa 70 Milliarden Euro hinterziehen - vorsichtig geschätzt.

Kaiser Vespasian ließ die Bedürfnisanstalten besteuern

Das Räuber-und-Gendarm-Spiel zwischen Steuereintreibern und dem störrischen Volk ist Jahrtausende alt. Das lässt sich in dem Museum bestaunen, dessen Name so umständlich klingt wie ein deutsches Steuergesetz: "Finanzgeschichtliche Schausammlung der Bundesfinanzakademie" in Brühl. Inzwischen hat man sich kurz auf "Steuermuseum" geeinigt.

Eine Erkenntnis reift im Museum sehr schnell: Seit etwa 3000 v. Chr. erheben Könige, Diktatoren oder Finanzminister oft willkürlich Steuern, um damit das zu bezahlen, was sie für unausweichlich halten - sei es ein Krieg, die Hochzeit einer Prinzessin oder eine sechsspurige Autobahn. Die Fantasie des Fiskus (lat. Geldkorb, Kasse) kannte dabei keine Grenzen. "Besteuert wurde in den vergangenen 5000 Jahren eigentlich alles - und manches, auf das man wohl nur kommen kann, wenn man als Finanzminister die Kassen der Monarchen und Regierenden füllen muss", sagt der Regensburger Ökonomie-Professor Wolfgang Wiegard, Mitglied des Sachverständigenrats der fünf sogenannten Wirtschaftsweisen.

So ließ der römische Kaiser Vespasian sogar Bedürfnisanstalten besteuern. Als sein Sohn ihn dafür tadelte, sprach er den berühmten Satz "Pecunia non olet" (Geld stinkt nicht). Im antiken Rom wie auch in Griechenland war darüber hinaus eine Sklavenumsatzsteuer üblich: Für jeden Zwangsarbeiter ab dem 14. Lebensjahr musste eine Abgabe entrichtet werden.

Wenn alles besteuert werden konnte, warum also keine Bärte? So verlangte der russische Zar Peter der Große ab 1698 von jedem Bartträger einen Obolus.

Bierziese, Bierpfennig, Trankgeld oder Malzaufschlag

Betuchte Kaufleute hatten 100 Rubel zu zahlen, Höflinge und Beamte 60 und sonstige Städter 30 Rubel. Ehrliche Zahler bekamen Quittungsmarken, die stets mitzuführen waren, wollte man nicht bei einer Kontrolle auf der Stelle zur Bartschur genötigt werden. Die Bartsteuer war nicht nur anmaßend, sondern auch perfide: Denn religiöse Vorschriften verboten die Rasur, weil sie als "Verhöhnung des Gottesbildes im Menschen" empfunden wurde. "Die zaristischen Steuereintreiber hatten sich ein ergiebiges, weil unflexibles Besteuerungsobjekt ausgesucht", urteilt Wiegard.

Heute müssen zwanghafte Raucher die profitable Tabaksteuer zahlen - um die 14 Milliarden Euro pro Jahr. Auch die Biersteuer in Höhe von knapp 800 Millionen Euro freut den Finanzminister. Im Mittelalter wurde sie als Bierziese, Bierpfennig, Trankgeld oder Malzaufschlag erhoben. Hinzu kommen die Branntweinsteuer (mehr als zwei Milliarden Euro) und die Schaumweinsteuer (mehr als 400 Millionen Euro).

Auch in unserer Zeit hat es an skurrilen Steuerideen nie gemangelt. Eine Essigsäuresteuer, wie sie in der Bundesrepublik bis Ende 1980 erhoben wurde, mochte ja noch angehen. Doch eine Männersteuer, wie sie 1987 auf einer Veranstaltung des Komitees für Grundrechte und Demokratie gefordert wurde? Damit sollten die Folgen der Verbrechen von Männern an Frauen und Kindern finanziell wiedergutgemacht werden. Medienwirksam war vor anderthalb Jahren auch Silvio Berlusconis Idee, eine SMS-Steuer zu erheben.

So alt wie die Steuern ist auch das Jammern der Menschen über drückende Lasten und die Verschwendung ihrer Tribute. "Das Volk hungert, weil die Mächtigen zu viel an Steuern wegessen", steht im 2200 Jahre alten Tao-Te-King, der Hauptschrift des Taoismus, die dem Philosophen Laotse zugeschrieben wird.

1926 stürmten Moselwinzer das Finanzamt von Bernkastel

Vergeudete Steuern haben die Steuermoral noch nie gefördert - gleich, ob sie für güldenen Zierrat in mittelalterlichen Palästen verpulvert wurden oder für Rhein-Main- Donau-Kanäle, auf denen kaum Schiffe fahren.

Vielleicht eine Warnung an allzu forsche Steuererfinder könnte der Aufstand der Moselwinzer sein, die im Februar 1926 das Finanzamt von Bernkastel stürmten und verwüsteten. Fenster gingen zu Bruch, Dokumente und Akten flatterten hinab auf die Straße. Die Winzer hatten das Gefühl, unerträglich viel an Steuern zahlen zu müssen. Heute demolieren Steuerzahler keine Finanzämter mehr, sondern erfinden absetzbare Werbungskosten. Oder sie schmuggeln ihr Geld ins Ausland.

Gerne wüssten Finanzpolitiker deshalb, wie man es vermeidet, Kühe zu schlachten, die man noch melken will. Schon Adam Smith, der schottische Nationalökonom und Moralphilosoph, forderte 1776, dass die Besteuerung "nicht dem Gewerbefleiß hinderlich ist". Dem könnten sowohl der Bund der Steuerzahler als auch die Arbeitgeberverbände zustimmen.

Um die Steuermoral zu heben, könnte Finanzminister Steinbrück auf eine bewährte Methode des 18.Jahrhunderts zurückgreifen. Im "Württembergischen Gesangs-Buch, enthaltend eine Sammlung reiner und kräftiger Lieder" findet sich 1779 eine Strophe, die dem Volk das Steuerzahlen versüßen sollte: "Hilf, dass wir geben herzlich gern, und zwar bey zeit und richtig, was jeder seinem Oberherrn sich weiß zu geben pflichtig." In einem Liederbuch von 1823 findet sich der Zusatz: "Gib, als gäbst du's Gott dem Herrn, was du schuldig bist, stets gern." Viele gäben lieber Gott als Peer Steinbrück. Warum, das könnte der im Steuermuseum lernen. Sein Vorgänger Hans Eichel hat es nie besucht.

\* Steuermuseum:

"Finanzgeschichtliche Schausammlung" (Willy-Brandt-Str. 10, 50321 Brühl), Eintritt kostenlos, geöffnet wochentags 8.30 -16 Uhr (freitags bis 14.30 Uhr) oder nach Vereinbarung unter Tel. 01888-682-5103 oder -5182. Internet: www.bundesfinanzakademie.de

(dort in der Randspalte links unter "Steuermuseum")