Indien setzt auf die Nutzung von erneuerbaren Energien. Der Staat schuf 1992 ein "Ministerium für nicht-konventionelle Energiequellen" (englisch abgekürzt MNES), das der Agrarökonom Shri M. Kannappan seit 1999 leitet. Abendblatt-Autor Dierk Jensen sprach mit ihm über die indische Energiepolitik. ABENDBLATT: Was bewog Indien vor zehn Jahren, ein Ministerium für erneuerbare Energien einzurichten? SHRI M. KANNAPPAN: Indien fehlt es an fossilen Rohstoffen wie Kohle und Erdöl, es muss sie gegen Devisen importieren. Dies und die wachsenden Probleme mit den fossilen Brennstoffen brachten die indische Politik früh dazu, unsere gewaltigen natürlichen Ressourcen zu nutzen. Um dies koordiniert voranzubringen, entstand das Ministerium. ABENDBLATT: Welches Ziel verfolgt Indien beim Ausbau der Ökoenergien? KANNAPPAN: Wir rechnen damit, dass unser Land bis zum Jahr 2012 eine Kraftwerkskapazität von 100 000 Megawatt (MW) braucht. Davon wollen wir zehn Prozent aus regenerativen Quellen decken. ABENDBLATT: Ein ehrgeiziger Plan - klappt die Umsetzung? KANNAPPAN: Mein Ministerium hat Richtlinien an alle Bundesstaaten geschickt, um den Bau von Ökokraftwerken zu unterstützen. Das hat zu einer aktuell installierten Leistung von rund 3400 MW aus regenerativen Quellen beigetragen. Das Potenzial ist viel größer. ABENDBLATT: Gibt es Hindernisse? KANNAPPAN: Die staatlichen Energiebehörden sind nicht verpflichtet, Ökostrom in ihr Netz einzuspeisen. Freiwillig kaufen sie ihn zu einem etwas höheren Tarif nicht ein. Ein neues Gesetz wird einen Mindestanteil regenerativer Energien im Stromnetz von etwa zehn Prozent vorschreiben, den die Netzbetreiber zu einem Mindesttarif kaufen müssen. ABENDBLATT: Ist eine finanzielle Unterstützung des Ausbaus geplant? KANNAPPAN: Wir wollen einen nationalen Fonds für erneuerbare Energien schaffen. Zur Finanzierung ist eine Abgabe auf fossile Energien vorgesehen. Der Fonds soll den höheren Preis für regenerative Energien stützen. ABENDBLATT: Bei der Windkraftnutzung gehört Indien weltweit zu den Top Ten. Wie groß ist das Potenzial? KANNAPPAN: Berücksichtigt man die Verbreitung von Versorgungsnetzen in windstarken Gebieten, liegt es bei 13 000 MW. Wenn wir die realisieren könnten, wäre das ein gewaltiger Sprung, gemessen am derzeitigen Ausbaustand von knapp 1500 MW. ABENDBLATT: Welche Rolle spielt die Wasserkraft? KANNAPPAN: Ihr Anteil liegt bereits bei 25 Prozent der Stromerzeugung; er muss weiter gesteigert werden. ABENDBLATT: Wie verhält es sich mit der Nutzung von Biomasse? KANNAPPAN: Bei kleinen Biomasse-Vergasungsanlagen ist Indien Weltführer; sie werden sogar nach Europa und in die USA exportiert. Im Programm zur Elektrifizierung abgelegener Ortschaften wird die Technik eine entscheidende Rolle spielen. Bis zum Jahr 2012 wollen wir 18 000 Dörfer elektrifizieren.