Ixodes Ricinus - Diese winzig kleinen Tiere sind in diesem Jahr besonders aktiv. Ihr Stich kann für den Menschen gefährlich werden, denn sie übertragen Krankheiten.

Es ist die Zeit der kleinen Vampire - feucht und warm, das lieben sie. Sie lauern auf Gräsern, an Blattspitzen und Zweigen. Die Schildzecken müssen zum Überleben ihren Hunger am Blut von Mäusen, Rindern, Schafen, Hunden oder Rehen stillen. Auch der Mensch zählt zu ihren Opfern. Und mit jedem Stich - Zecken beißen nicht, auch wenn es Zeckenbiss heißt! - können Krankheiten wie Hirn(haut-)entzündung oder Lyme-Borreliose übertragen werden. Das macht den Gemeinen Holzbock aus der Familie der Spinnen in einigen Gegenden besonders gefährlich. "Dieses Jahr gibt es sehr viele Zecken", sagt Dr. Jochen Süss. Der Experte leitet das "Nationale veterinärmedizinische Referenzlabor für durch Zecken übertragene Krankheiten" in Berlin und Jena. Seit 1997 sammeln die Forscher jede erste Woche im Mai und im September bei Passau (Bayern) und bei Freiburg (Baden-Württemberg) Holzböcke ein. Sie untersuchen die Tiere, um herauszufinden, wie viele Krankheitserreger in ihnen stecken. "Im Mai haben wir bereits doppelt so viele Zecken wie im Vorjahr eingesammelt", sagt der Wissenschaftler. Die Tiere haben sich so prächtig vermehrt, weil es in den vergangenen Jahren wärmer geworden ist. "In milden Wintern sterben weniger Zecken ab", sagt Jochen Süss. Zugleich finden die Zecken leichter Wirte. Sie brauchen nicht mehr fünf bis sechs Jahre, um sich vom Ei über die Larve, der Nymphe zum erwachsenen Tier zu entwickeln. Dadurch steigt die Zahl der fortpflanzungsfähigen Tiere. Feinde, die Zecken fressen, scheint die Natur nicht ersonnen zu haben. Der sichere Tod droht den Spinnentieren unter so optimalen Lebensbedingungen erst, nachdem sie an drei Wirten Blut gesaugt und Nachwuchs hinterlassen haben. 3000 bräunliche, kugelige Eier - den "Zeckenkavier" - legen die Weibchen nach ihrer dritten und letzten Blutmahlzeit im schützenden Blattstreu ab. In den Eiern entwickeln sich binnen vier bis zehn Wochen die Larven. Vom Licht angelockt, klettern die nicht einmal einen Millimeter kleinen Tiere im Buschwerk umher und suchen ein Opfer. Ob Larve, Nymphe oder erwachsenes Tier - sie nehmen uns wahr, lange bevor wir in ihrer Nähe sind. Die Sinnesorgane von Ixodes ricinus, wie der Gemeine Holzbock wissenschaftlich heißt, leisten Erstaunliches. Ihnen entgeht nicht die leiseste Erschütterung. Aufmerksam geworden, überprüft ihr chemischer Sinn, ob sich ein attraktiver Wirt nähert. Dessen Ausdünstungen erfasst das Haller'sche Organ, das am ersten Beinpaar sitzt. Kommt eine Maus, ein Eichhörnchen oder ein Mensch vorbei, lässt sich das Tier sekundenschnell abstreifen. "Die Zecken springen nicht und lassen sich auch nicht fallen", sagt Jochen Süss. Der Tast- und Temperatursinn - die Tiere nehmen Zehntel Grade wahr - führt die Zecke genau dahin, wo die Haut ihres Opfers besonders dünn ist und sie leicht einstechen kann. Kaum hat sie mit ihrem lancettartigen Stechrüssel die Haut durchdrungen, verankert sie sich mit den vielen Widerhaken ihres Stechrüssels in der Wunde. In diese füllt sie außerdem noch "Zement", den die Zecke erst Tage später wieder herauslöst. Spätestens 15 Minuten nach dem ersten Stich beginnt die Zecke mit ihrer Blutmahlzeit. Am längsten und am meisten Blut saugen die erwachsenen Weibchen - sie können in fünf bis sieben Tagen das 200-fache ihres Körpergewichtes aufnehmen! Das ist Weltrekord im Tierreich. "In den ersten drei Tagen baut sich die weibliche Zecke um, so dass sie die Mengen überhaupt speichern kann", erläutert Jochen Süss. Das ist Schwerstarbeit. Der Wirt bemerkt von alledem nichts. Denn die Zecke speichelt Wirkstoffe in die Wunde, die den Schmerz betäuben, die Blutgerinnung hemmen und den Blutfluss fördern. "Oft werden die Weibchen noch beim Saugen von den Männchen umklammert und begattet", sagt Jochen Süss. Männchen und Weibchen finden zueinander durch spezielle Lockstoffe (Pheromone). Sie spielen im Leben der Zecken auch sonst eine wichtige Rolle. So berufen die Zecken mit diesen Stoffen Versammlungen ein oder lösen sie auf. Die zentrale Rolle, fanden Forscher heraus, spielt dabei Guanin. Die Zecken markieren damit Büsche und Blätter. Bei Trockenheit locken sie auf diese Weise einander an, immer mehr Zecken ballen sich zusammen. Wissenschaftler vermuten, dass die kleinen Vampire so ihre Überlebenschance erhöhen. Denn sie müssen mit einem gravierenden Nachteil leben: Über ihre vergleichsweise sehr große Oberfläche verlieren die Zwerge bei sinkender Luftfeuchtigkeit rasant Wasser. Zusammengeballt schützen sie sich vorm Aus- trocknen. Doch Guanin ruft nicht nur zur Versammlung - es löst diese bei Feuchtigkeit auch wieder auf. Wie? Darüber spekulieren Forscher noch. "Verrechnen" die Zecken die Umweltdaten, die ihnen ihre Sinnesorgane liefern, in ihrem Nervensystem und "entscheiden" dann, Versammlung unnütz, weil feucht genug? Den "Gedanken" der Zecken kommen die Spinnenforscher selbst mit modernsten Methoden nur allmählich auf die Spur. Weitere Informationen zu Zecken : www.medizinfo.com/waldundwiese/ zecken/zbio.htm