Fast ein halbes Jahr hat der deutsche Astronaut Alexander Gerst auf der Internationalen Raumstation ISS geforscht. Nun hat ihn die Erde wieder: Der Geophysiker landete mit zwei Kollegen in Zentralasien.

Arkalyk. Nach fast 166 Tagen auf der Internationalen Raumstation ISS ist der deutsche Astronaut Alexander Gerst wohlbehalten in der Steppe von Kasachstan gelandet. „Die Erde riecht großartig. Und mir ist zum ersten Mal das Wort „Heimatplanet“ wirklich klar geworden“, schrieb der 38-jährige Geophysiker nach der Ankunft in der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik bei Twitter.

Die Sojus-Kapsel mit Gerst und dem Russen Maxim Surajew sowie dem US-Amerikaner Reid Wiseman setzte am Montagmorgen gegen 4.58 Uhr MEZ (9.58 Uhr Ortszeit) in der leicht verschneiten Landschaft auf. Etwa dreieinhalb Stunden zuvor hatte sie vom Außenposten der Menschheit abgekoppelt. Gerst war der elfte Deutsche im Weltall.

Deutschlands Raumfahrtchef Jan Wörner zeigte sich erleichtert nach der Landung. „Man fühlt sich ja verantwortlich für die Menschen. Nun geht es darum, Alexander Stück für Stück wieder an die Schwerkraft heranzuführen“, sagte der Leiter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Mediziner rechnen mit einer längeren Kur für Gerst, da Muskeln, Knochen und Immunsystem nach fast einem halben Jahr in der Schwerelosigkeit erheblich geschwächt sind.

Gerst sollte noch am Montag nach Köln fliegen, wo er im hochmodernen DLR-Labor medizinisch betreut wird. „Es ist schön, wieder zu Hause zu sein. Nur die Schwerkraft zieht mich etwas runter“, meinte er.

Steinmeier gratuliert

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der sich zu politischen Gesprächen ebenfalls in Kasachstan aufhielt, gratulierte Gerst zur Landung. „Ich wünsche mir, dass das, was die Astronauten von oben gesehen haben, eine Welt ohne Grenzen, uns gelegentlich auch daran erinnert, dass wir noch größere Probleme auf dieser Welt haben als die Grenzkonflikte, die heute Anlass zu Streitereien sind“, sagte er in der Hauptstadt Astana. Wasser- und Umweltprobleme müssten „mit derselben Dringlichkeit“ behandelt werden.

Das rund drei Tonnen schwere Raumschiff war bei frostigen Temperaturen von Fallschirmen gebremst in der Steppe gelandet. Das russische Staatsfernsehen zeigte, wie Helfer die Rückkehrer aus der engen Sojus trugen. Gerst schützte seinen kahlgeschorenen Kopf mit einer weißen Schirmmütze und reckte lächelnd die rechte Faust.

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Bei seiner ersten Reise in den Kosmos habe er sich gut gefühlt, sagte der Mann aus Künzelsau (Baden-Württemberg) in Russisch. „Danke an alle für die Unterstützung“, meinte Gerst. Surajew lobte die „tolle Zusammenarbeit“ von Russland, den USA und Deutschland. „Jeder sollte vom Beispiel der ISS-Raumfahrer lernen“, unterstrich er.

Nach der Ankunft etwa 82 Kilometer nördlich von Arkalyk mussten die Heimkehrer die erste Zeit auf Klappsesseln verbringen. „Ihr Orientierungssinn ist noch gestört“, sagte ein Arzt. In Decken gehüllt, winkte das Trio in die Kameras. Dann trugen Helfer die Männer zur weiteren Untersuchung in ein großes Zelt.

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Seit Ende Mai hatten Gerst, Surajew und Wiseman rund 400 Kilometer über der Erde geforscht. Unter den wissenschaftlichen Versuchen waren etwa Experimente zur Alterung der Haut und mit Metallen für Turbinen.

Nach dem Heimflug von Surajew übernahm der Amerikaner Barry Wilmore den Chefposten auf der ISS. Außer ihm arbeiten noch Jelena Serowa und Alexander Samokutjajew aus Russland auf der Raumstation. Der nächste Sojus-Start vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan ist für den 24. November geplant. Nach dem Aus der US-Space-Shuttles ist Russland das einzige Land, das Astronauten zum fliegenden Labor transportiert.

Premiere: Untersuchung in Köln

Mit Alexander Gerst wird zum ersten Mal ein zurückgekehrter Astronaut in Deutschland untersucht und wieder an das Leben auf der Erde gewöhnt. Im neuen Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln wird er von Institutsleiter Prof. Rupert Gerzer in Empfang genommen. „Das ist für uns eine Premiere, und da sind wir natürlich stolz“, sagte Gerzer am Montag der Nachrichtenagentur dpa.

Untersucht werden vor allem die Auswirkungen der Schwerelosigkeit. „Ein ganz zentrales Thema sind interessanterweise die Augen, weil sich in den letzten Jahren herausgestellt hat, dass sich bei einigen Astronauten Sehveränderungen einstellen“, erläuterte Gerzer. „Das hängt mit dem Hirndruck zusammen.“ Einige Heimkehrer bräuchten eine neue Brille. „Deshalb hat sich der Alexander Gerst schon selber immer auf der Raumstation in die Augen geguckt, und wir denken, dass da nichts Größeres sein wird.“

Nicht immer muss ein monatelanger Aufenthalt in der Schwerelosigkeit mit Muskel- oder Knochenschwund einhergehen. „Es gibt ja Trainingsmethoden da oben“, sagte Gerzer. Manche Astronauten, die fleißig trainiert hätten, seien schon fitter wieder zurückgekommen als sie hingeflogen seien.

Mit dem Gehen hätten die heimgekehrten Astronauten meist kein Problem, wohl aber mit längerem Stehen. „Dann kann's passieren, dass man umfällt.“ Vielen Astronauten wird auf der Erde auch erst mal schlecht, besonders beim Treppensteigen oder beim Nicken oder Drehen des Kopfes. „Herr Gerst wird mit Sicherheit duschen wollen, denn das hat er ein halbes Jahr nicht mehr getan, und dabei schüttelt jeder automatisch den Kopf“, sagte Gerzer.

Die erste Nacht wird Alexander Gerst auf jeden Fall noch im Institut bleiben. Wenn es ihm gut geht, kann es sein, dass er schon die Nacht zum Mittwoch in seiner Kölner Wohnung verbringen darf. In spätestens einem Jahr seien auf jeden Fall alle Folgen der Schwerelosigkeit wieder verschwunden. „Dann sind die wieder topfit“, versicherte Gerzer. „Da bleibt nichts.“