Was kann das neue iPhone wirklich? In den Genuss des vollen LTE-Tempos werden etwa nur Kunden der Telekom kommen. Auch in Hamburg.

San Francisco. Auch ohne bahnbrechende Neuerungen wird Apples neues Handy dem Konzern komfortable Einnahmen bescheren, erwarten Analysten. Doch wird der fehlende Wow-Faktor zum Problem?

Mit seiner Vorstellung des iPhones 5 am Mittwoch bestätigte Apple viele der Gerüchte. Das neueste Smartphone des Unternehmens ist ein wenig in die Höhe gewachsen, dünner und leichter geworden. Dazu lässt es Nutzer mit dem schnellsten verfügbaren Internet surfen. Neuerungen, die in den Medien teilweise schon seit Monaten erwartet wurden. „Die Schere zwischen Erwartungen und dem, was Apple liefert, wird immer kleiner“, sagte IDC-Analyst Kevin Restivo der Nachrichtenagentur dapd nach der Präsentation. „Ist das iPhone 5 langweilig?“, fragte das „Wall Street Journal“.

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Dem Verkaufserfolg wird das vermutlich keinen Abbruch tun, sind sich die meisten Analysten und Kommentatoren einig. Doch einige sehen den Lack abblättern. „Keine Revolution“, bilanzierte Technik-Blogger Robert Scoble. Die fehlenden begeisternden Innovationen könnten den Weg für eine bahnbrechende Neuerung einer anderen Firma ebnen. Für Google mit ihren Smartphone-Brillen „Glass“ zum Beispiel, schrieb Scoble auf seinem Google-Profil.

Feinschliff für das Kronjuwel

„Wie ein Juwel“ sei das neue iPhone, sagte dagegen einer der Apple-Manager bei der Präsenation am Mittwoch in San Francisco. Und dieses Juwel hat Apple für die neueste Version nochmals geschliffen. „Apple bindet mit kleinen Verbesserungen seine Kundschaft an sich“, sagt Gartner-Analystin Carolina Milanesi. Das Gerät sei der Zeit angepasst worden.

„Die logischen Schritte vorwärts“ habe Apple in San Francisco gemacht, sagt Analyst Restivo. Apple will noch mehr Kunden in sein Ökosystem locken und dürfte damit Milliarden verdienen. Die Überarbeitung der iPod-Modelle zielt dabei ebenso auf jugendliche Käufer ab wie die Betonung des Spaßfaktors. Etwas gestelzt formuliert Apple, der iPod Touch sei auf „maximalisierten Spaß“ ausgerichtet. Gleich zwei Mal wurden auf der Bühne Spieleanwendungen vorgestellt, die die junge Zielgruppe ansprechen sollen.

Ein Supermodel für die Massen

Der größere Bildschirm des iPhones ist besser für Film und Fotos optimiert, bietet Platz für eine zusätzliche Reihe von App-Symbolen und Farben auf dem Bildschirm sollen dramatisch satter erscheinen. Die Unterstützung von LTE erlaubt es Nutzern, schneller im Internet zu surfen. Damit schließt Apple zur Konkurrenz auf, die bereits Modelle mit diesen Funktionen anbietet.

Dazu betonte Apple Verbesserungen im Design und die hochwertige Verarbeitung. Doch manches fehlt: NFC, eine Technik, die es beispielsweise ermöglicht, mit dem Handy zu bezahlen oder Fotos nur durch das Anstoßen eines anderen Gerätes zu teilen, ist auch auf dem neuen iPhone nicht vorhanden. Geräte von Google, Nokia und Samsung bieten dies bereits an.

Apple-Manager Phil Schiller wehrt ab. Es sei unklar, welches aktuelle Problem NFC lösen sollte, sagte Schiller dazu dem Technik-Blog „AllThingsDigital“. „Passbook kann die Dinge, die Kunden heute brauchen“. Schiller bezieht sich damit auf eine Funktion des neuen Apple-Betriebssystems, das mit dem Gerät ausgeliefert wird. Damit können Gutscheine oder Flugtickets im Smartphone gespeichert werden.

„Sehr schöne Weihnachten“ dank schnellster Auslieferung

Kaum ein Analyst bezweifelt, dass Apple mit dem neuesten Modell Verkaufsrekorde brechen wird. Auch dank der „schnellsten Auslieferung“ in der Apple-Geschichte, wie Apple verkündet. Am 21. September kommt das Telefon in Deutschland und anderen großen Märkten in die Läden, eine Woche später folgt eine weitere Welle mit der Schweiz und Österreich – bis Ende Jahr soll es in über 100 Ländern verfügbar sein.

Pünktlich zu den Feiertagen, die wichtigste Zeit für den Gadget-Markt. „Apple wird sehr schöne Weihnachten haben“, sagte Gartner-Analystin Carolina Milanesi. Kollege Restivo bestätigt: „Apple muss den Wert der Marke weiter erhalten“, dann sehe er für Apple weiterhin satte Gewinne.

Günstig-Produkte als Eintritt in die luxuriöse Apple-Welt

Die Auffrischungen der Musikspieler iPod zielten auch auf Wachstumsmärkte und die wirtschaftlich angeschlagenen Regionen im Süden Europas. Dort sind Apples schicke Handys für viele Konsumenten zu teuer. Mit den günstigeren Modellen will der Technologie-Riese den Konsumenten dort einen Biss vom begehrten Apfel ermöglichen - und sie so in die Apple-Welt locken. In dieser Welt sind eine halbe Milliarde Menschen nur einen Klick vom Kauf von Filmen, Bücher, Musik und Apps entfernt und spülen so weiter Geld in Apples Kassen.

Ältere Modelle des iPhones sind Einstiegsprodukte, aber auch der Medienplayer iPod. Dies war die einzige Überraschung der Präsentation. Obwohl iPods in der Vergangenheit weniger verkauft wurden, hat Apple die Medienplayer weiterentwickelt. Der iPod Touch ist nun wie ein iPhone ohne Telefonverbindung, der iPod Nano verfügt über einen größeren Bildschirm. „Viele Nutzer kommen durch iPods und iTunes erstmals mit Apple-Produkten in Berührung“, sagt Analystin Milanesi. „Wenn ein junger Mensch einen iPod in der Hand hält, was denken Sie, was für ein Telefon er danach will?“ Kaum eine Firma schleife derart detailverrückt am umfassenden Nutzererlebnis.

Doch der fehlende „Wow-Effekt“, der bei Präsentationen des verstorbenen Apple-Chefs Steve Jobs meist am Ende der Präsentation eintrat, wenn er „One More Thing“ ankündigte, gehörte am Mittwoch ebenso der Vergangenheit an wie seine berühmte Zeile selbst.

LTE-Netz funktioniert nicht überall - In Hamburg schon

Eine der wichtigsten Neuerungen ist der LTE-Chip, der einen schnelleren Datenverkehr ermöglicht. Der UMTS-Nachfolger erzielt Höchstgeschwindigikeiten mit theoretisch denkbaren Datenübertragungsraten von bis zu 100 Mbit pro Sekunde. Allerdings: Nicht überall ist das Netz dafür schon bereit. Hauptsächlich in Großstädten lässt sich der Daten-Turbo voll ausnutzen. So etwa in Bonn, Leipzig, München, Köln, Frankfurt und Hamburg. Dort funkt das Telekom-Netz bereits im 1,8 GHz-Bereich.

Mit Material von dapd