Möglicherweise gelangten die EHEC-Keime über eine Kläranlage in einen Bach bei Frankfurt. Das Trinkwasser ist jedoch nicht gefährdet.

Hamburg. Die Gefahr schien eingedämmt - und jetzt das: In einem kleinen Bach im Norden Frankfurts sind Keime des neuen, besonders aggressiven EHEC-Stamms O104:H4 gefunden worden, an dem seit Mai 38 Menschen gestorben sind. Das hessische Umweltministerium verbot zwei an den Bach grenzenden Höfen, ihre Produkte - Kartoffeln und Zuckerrüben - mit Wasser aus dem Bach zu bewässern.

Dabei war zuletzt etwas Ruhe eingekehrt: Die Zahl der Neuinfektionen ging zurück, Sprossen waren als Ursache der Erkrankungen ausgemacht, die Behörden hoben ihre Warnung vor Blattsalat, Gurken und Tomaten auf. 85 Prozent der Deutschen essen wieder Rohkost, wie eine Umfrage von "Bild am Sonntag" am Wochenende ergab. Vor drei Wochen hatten noch fast 60 Prozent darauf verzichtet.

Nach dem Fund in Frankfurt sind Experten alarmiert; sie untersuchen nun, wie der Keim in den Bach kam. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wo liegt dieser Bach und wie kamen die Keime dort hinein?

Der Erlenbach entspringt in der Nähe der Saalburg im Taunus und mündet nach rund 20 Kilometern bei Bad Vilbel in die Nidda. Er durchfließt den Hochtaunuskreis, die nördlichen Ausläufer Frankfurts bis in den Wetteraukreis. Zwischen Ober-Erlenbach und Nieder-Erlenbach steht eine Kläranlage. Über sie sind möglicherweise die aggressiven EHEC-Bakterien in das Gewässer gelangt. "Derzeit scheiden viele Menschen den Erreger aus", sagte der EHEC-Forscher Helge Karch von der Uniklinik Münster. "Wir können also nicht ausschließen, dass er sich in unserer Umwelt bereits eingenistet hat."

Kommt EHEC im Abwasser vor?

Normalerweise kommen EHEC-Keime im Kot von Tieren vor. "In das Abwasser können sie über Schlachthofabwässer oder mit Tierfäkalien verunreinigtem Regenwasser gelangen", erklärt das Umweltbundesamt in Dessau. Allerdings gebe es immer mehr Hinweise, dass der neue EHEC-Stamm Merkmale von krankheitserregenden Keimen beim Menschen trage, sogenannten EAEC-Erregern. Insofern könnte dieser EHEC-Stamm über menschliche Fäkalien verbreitet worden und darüber auch ins Abwasser gelangt sein.

Filtert eine Kläranlage die Bakterien nicht heraus?

Nein. "Generell vermindern Kläranlagen die im Abwasser enthaltenen Keime, damit ist das gereinigte Abwasser aber nicht hygienisch unbelastet", so das hessische Umweltministerium.

Kann EHEC über Bewässerungswasser auf Obst und Gemüse gelangen?

Ja. "Oberflächenwasser, das zur Bewässerung verwendet wird, kann durch Abwassereinleitungen und durch direkten Eintrag von Fäkalien verunreinigt werden und EHEC enthalten", sagt das Umweltbundesamt. Um das zu vermeiden, muss Wasser aus Bächen, Seen oder Regenwasser, das zur Bewässerung von Lebensmitteln "für den Rohverzehr" verwendet wird, in Deutschland bestimmte Normen erfüllen. Zu einem Infektionsrisiko beim Verzehr könnte es "nur kommen, wenn im weiteren Verarbeitungsprozess Bedingungen geschaffen werden, die den EHEC-Keimen ein Wachstum ermöglichen, sodass für eine Infektion relevante Konzentrationen auftreten", sagt das Umweltbundesamt. Das könnte bei den mit EHEC belasteten Sprossen so gewesen sein, denn sie wachsen bei Temperaturen, bei denen sich Keime gut vermehren.

Ist das Trinkwasser gefährdet?

Im Falle des Frankfurter Erlenbachs ist das laut hessischem Gesundheitsministerium nicht der Fall: "Eine Verbindung des Baches zur öffentlichen Trinkwasserversorgung besteht nicht."

Kann EHEC über das Trinkwasser verbreitet werden?

Dafür gebe es keine Anzeichen, so das Umweltbundesamt. Trinkwasser sei gegenüber anderen möglichen Infektionswegen (Lebensmittel, Tierkontakt) "selten direkter Überträger von Krankheitserregern wie EHEC, da in der Regel weder die Fäkalien von Tieren noch von Menschen in das Trinkwasser gelangen". Dies werde durch mehrere "Barrieren" sichergestellt, etwa durch die Aufbereitung in den Wasserwerken. Untersuchungen zeigten, dass Escheria coli, zu denen auch EHEC zählt, im Trinkwasser großer Wasserversorger (mehr als 5000 Verbraucher) "äußerst selten" gefunden würden.

Ist der gefährliche EHEC-Erreger auch in Norddeutschland im Wasser entdeckt worden?

Nein. Weder in Hamburg noch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurden die Erreger in Wasser nachgewiesen. "Wir untersuchen schon seit Wochen Proben aus Brunnen in Betrieben und haben bisher nichts gefunden", sagte der Sprecher des niedersächsischen Agrarministeriums, Gert Hahne.

Wie kann man sich generell vor EHEC-Erkrankungen schützen?

Es gibt diverse EHEC-Varianten. Der beste Schutz vor den Krankheitserregern ist Hygiene. Dazu gehört regelmäßiges Händewaschen. Dem Robert-Koch-Institut zufolge lässt sich das Risiko einer Infektion minimieren, indem Lebensmittel mindestens zehn Minuten lang auf 70 Grad erhitzt werden.