In seiner neu eröffneten Sammlung Buddhismus erklärt das Museum für Kunst und Gewerbe die Kunstwerke aus ihren religiösen Wurzeln

Was hat Religion in einem Museum für angewandte Kunst zu suchen? Sollte es hier nicht viel eher um Ästhetik und Gestaltung, um Materialien und Techniken, um Künstler und Epochen gehen? Das Museum für Kunst und Gewerbe geht jetzt einen anderen Weg. Bei der kompletten Neugestaltung seiner Sammlung Buddhismus, die dank der Schenkung des Designers Peter Schmidt und durch eigene Neuerwerbungen einen bedeutenden Qualitätszuwachs erfahren hat, stellt das Haus am Steintorplatz ganz bewusst den Glauben ins Zentrum.

"Das erscheint uns schon deshalb sinnvoll, weil der Glaube der Ausgangspunkt dessen ist, was uns hier als Kunst begegnet", sagt Museumsdirektorin Sabine Schulze. Und Asien-Kuratorin Nora von Achenbach meint: "Es muss ein sehr starker Glaube gewesen sein, der ein Kunsthandwerk hervorgebracht hat, das so gut ist, dass es uns tief beeindruckt."

Für ein mitteleuropäisches Museum ist es allemal eine Herausforderung, seinen Besuchern die Glaubenswelt des Buddhismus nahezubringen. Es gilt die Ideen und Motivation zu verstehen, die die für westliche Betrachter zwar faszinierenden, aber eben auch sehr fremden und rätselhaften Buddha-Figuren, Mönche, Schutzgottheiten und Bodhisattvas hervorgebracht haben. Doch diesen Anspruch, nämlich die Verbindung von Glaubensvorstellungen und künstlerischem Schaffen tatsächlich sichtbar zu machen, will das MKG auch im europäisch-abendländischen Rahmen bei der Neugestaltung der Sammlung zum christlichen Mittelalter einlösen, mit der die "Runderneuerung" des Museums im nächsten Frühjahr nach vielen Jahren der Sanierungs- und Umbauarbeiten dann endlich abgeschlossen sein wird.

Doch kehren wir in die Geister- und Götterwelt des Fernen Osten zurück. Peter Schmidt, der dem Museum einige besonders kostbare Objekte der buddhistischen Skulptur und Malerei aus seiner Sammlung schenkt, hat das Ausstellungsdesign bewusst puristisch gestaltet. Die beiden Räume sind hell, der Boden ist weiß geschlemmt, auch die Wände sind weiß, das Licht fällt indirekt ein, keine Farbe soll von den buddhistischen Kunstwerken ablenken. Und wer eintritt, muss sich erst einmal unter dem herabhängenden Türvorhang bücken und damit Respekt vor der fernöstlichen Glaubenswelt zeigen.

Kontemplativ und in sich gekehrt wirken die Darstellungen des "Erleuchteten" und seiner vielen Helfer. Es sind Holzskulpturen und Malereien, die in dem langen Zeitraum vom 6. bis zum 18. Jahrhundert nicht nur in China, sondern auch in Japan und Zentralasien geschaffen wurden. Am Anfang steht der historische Buddha Shakyamuni mit dem Kopf einer Buddhaskulptur aus Südpakistan oder Afghanistan. Die im zweiten nachchristlichen Jahrhundert gefertigte Skulptur zeigt europäische Einflüsse. Geprägt wurde sie durch die griechische Bildhauerkunst, was sich politisch erklären lässt: Grund ist die Expansion Alexanders des Großen, die in dieser Region nicht nur machtpolitische, sondern auch kulturelle Folgen hatte. Ganz anders wirkt ein Luohan aus der Sammlung Schmidt, eine stehende Buddhastatue aus China, wo sie zwischen dem späten 15. und dem frühen 17. Jahrhundert geschaffen wurde.

Ein Raum ist Buddha und seinen Schülern und Beschützern gewidmet. Hier erfährt der Besucher auch Grundzüge des Buddhismus, der im sechsten vorchristlichen Jahrhundert mit dem Wirken von Siddharta Gautama begann. "Wir wollen die tolerante Natur des Buddhismus aufzeigen, seine Achtung vor jedem Lebewesen, aber auch seine Fähigkeit, Einflüsse anderer Religionen aufzunehmen und zum Beispiel mit dem japanischen Shinto zu verschmelzen", erklärt Nora von Achenbach. Dieser Aspekt wird auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sich der umgestaltete Raum zur japanischen Teezeremonie und die in dieser Fülle erstmals gezeigten Objekte zur Samurai-Kultur in unmittelbarer Nähe befinden.

Als Neuerwerbungen sind hier Rüstungshelme zu sehen. Besonders faszinierend sind aber die unglaublich kostbar gestalteten Tsubas. Mit etwa 2000 Stück, die sämtlich noch von Gründungsdirektor Justus Brinckmann gesammelt worden waren, besitzt das Museum für Kunst und Gewerbe die bedeutendste Sammlung dieser Schwertstichblätter außerhalb Japans.

Besonders fremd ist für uns die buddhistische Vorstellung von Leben und Tod. Während die christliche Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod gerichtet ist, hat der historische Buddha Shakyamuni nach dem leiblichen Tod den Zustand der vollkommenen Auslöschung, das parivana, erlangt. Nach buddhistischer Vorstellung ist das Leben untrennbar mit Leiden verbunden. Diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen. Wie schwer das tatsächlich ist, zeigt ein großes Bild, das den Eingang zum Nirwana darstellt. Zu sehen ist der gestorbene Buddha, der von Mönchen und Laien, Jüngern und Göttern, Dämonen und Tieren umringt wird. "Die Tatsache, dass sie trauern, zeigt dem Betrachter, dass sie die Erleuchtung noch nicht erlangt haben", sagt Nora von Achenbach: "Wer erleuchtet ist, hat den Abstand zur eigenen Existenz gefunden. Er muss das Leben nicht mehr schwer nehmen, weil er weiß, dass er nur ein Staubkorn im Weltgeschehen ist."

Die Bodhisattvas, denen der zweite Raum zum großen Teil gewidmet ist, haben diese Erleuchtung erlangt. Aus freiem Willen verzichten sie jedoch auf den Eintritt ins Nirwana, um den Gläubigen auf ihrem Weg zum Heil zu helfen. In der buddhistischen Volksfrömmigkeit spielen die Bodhisattvas eine wichtige Rolle, sie sind gewissermaßen Mittler und Helfer. Dafür wurden sie mit wunderbaren Kräften ausgestattet. Sie sind den Menschen zugewandt und können deren Wünsche nach Wohlstand und Kindern, aber auch nach Erhaltung der Gesundheit oder Heilung nach Krankheit erfüllen.

Besonders beeindruckend ist die chinesische Holzskulptur einer Wasser-Mond-Guanyin. Diese Skulptur aus dem 13./14. Jahrhundert zeigt einen speziellen Bodhisattva-Typ, der in China erfunden wurde, aber auch indische Einflüsse zeigt. "Er verbindet die indische Betonung der plastischen Form mit dem chinesischen Element des linearen Flusses in den Gewandlinien und führt in der königlich-lässigen Sitzhaltung sakrale wie weltliche Anleihen zusammen", sagt Nora von Achenbach.

Eine japanische Skulptur aus dem frühen 5. Jahrhundert zeigt einen ganz anderen Typus: Der Bodhisattva Jizo hat nichts Königliches an sich. Sein Haar ist geschoren, er sieht wie ein Bettelmönch aus, trägt aber einen kostbaren Juwel in der Hand. Dieser Edelstein kann nach dem Volksglauben Wünsche erfüllen. Jizo schützt Reisende und Kinder und ist als einziger Bodhisattva in der Lage, die Seelen von Verstorbenen, die in der Hölle bereuen, zu befreien. Trotz aller Unterschiede lässt er sich in seiner Rolle als Beschützer mit den 14 Nothelfern vergleichen, die in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit in Europa eine große Rolle spielten - und daher auch in der christlichen Kunst des Mittelalters, die uns im kommenden Frühjahr auf neue Weise im Museum für Kunst und Gewerbe begegnen wird.

Neueröffnung Sammlung Buddhismus und Schenkung von Peter Schmidt ab 14.12., Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Di-So 11.00-18.00, Do bis 21.00, ab 1.1.2013 geöffnet ab 10.00