Arche: Jenfeld hat ein christliches Kinderhaus. Zwei ARCHE-Gründer im Gespräch: die Pastoren Bernd Siggelkow und Thies Hagge.

Alles begann mit Jessica, dem siebenjährigen Mädchen, das in seinem Kinderzimmer mitten in Hamburg qualvoll verhungerte. Nachdem Thies Hagge, Pastor der Friedenskirche in Hamburg-Jenfeld, sie beerdigt hatte, spürte er: "Ich konnte nicht mehr Pastor sein wie bisher." Als der 38 Jahre alte Vater zweier Kinder von der ARCHE in Berlin las, wußte er: "Das brauchen wir auch hier." In Berlin-Hellersdorf hatte Pastor Bernd Siggelkow (41) vor zehn Jahren das christliche Kinderhaus gegründet, in das heute rund dreihundert Kinder kommen. "Wir sind kein Familienersatz, sondern eine Ergänzung zur Familie", sagt der ARCHE-Gründer.

Mit ihm nahm Thies Hagge Kontakt auf. Für Siggelkow war eine ARCHE-Erweiterung schon lange ein Anliegen: In Deutschland lebt jedes 7. Kind unter der Armutsgrenze, in den Metropolen sind es deutlich mehr. Schnell wurde man sich einig, und Ende 2005 öffnete im alten Pastoratsgebäude in Jenfeld die erste ARCHE außerhalb Berlins.

Dienstags bis donnerstags gibt es dort von 13 bis 18.30 Uhr für vorerst vierzig Kinder ein kostenloses warmes Essen. Zwei hauptamtliche und vierzig ehrenamtliche Mitarbeiter bieten Hausaufgabenhilfe, Sport- und Bastelangebote, vor allem aber Zuwendung, Aufmerksamkeit und Zeit; alles wird über Spenden finanziert. Daß das nicht für alle bedürftigen Kinder reicht, ist klar, deshalb sucht die Gemeinde dringend ein größeres Haus für hundert Kinder im Bereich der Gemeinde. "Wenn sie der ARCHE entwachsen sind, können sie in den Jugendgruppen weiter in einem christlichen Schutzraum sein", so Hagge.

Dieser Schutzraum bedeutet für Bernd Siggelkow, mit den Kindern auch über Gott zu sprechen. "Die Kinder lernen bei uns, Hoffnung zu bekommen. Wenn ich von Gott erzähle, der sie, so wie sind, liebt und wertschätzt, egal, wieviel Geld sie haben, dann ist das für diese Kinder eine neue Welt. In einer Gesellschaft, die kaum noch Werte zu vermitteln hat an unsere Kinder, haben Kinder keinen Wert."

Was Armut bedeutet, hat Siggelkow beim Aufbau der ARCHE am eigenen Leib erfahren: "Wir sind sensibel geworden für das Thema Armut, weil wir selber einmal arm waren."

Den Unterschied zwischen denen, die untergehen, und denen, die ihr Leben trotz Vernachlässigung, Gewalt oder Mißbrauch meistern, sieht Thies Hagge darin, "ob sie eine Person im Leben hatten, der sie vertrauen konnten. Bei der ARCHE gibt es reichlich Personen, zu denen sich solche Beziehungen ergeben können. Wir möchten Freunde der Kinder werden, wir sind verläßlich. Das kann ganz viel Heilung bringen." Für ihn ist die Arbeit ganz praktische Seelsorge, "die Liebe Gottes runterzuübersetzen in warmes Essen, eine Umarmung, Zeit haben".

Ein Zeichen zu setzen, "etwas zu schaffen, das bleibt", ist für Hagge auch ein persönliches Anliegen. Vor vier Jahren erkrankte er schwer, im Krankenhaus wurde zuerst eine unheilbare Leukämie diagnostiziert, dann revidierten die Ärzte ihr Urteil: Hagge hatte zwei infizierte Herzklappen und mußte operiert werden. "Da fragt man sich: Warum willst du weiterleben? Was hast du erreicht? Und ich dachte, wenn ich es schaffe, dann will ich in meinem Leben nur noch tun, was wirklich nötig ist."

Wie nötig eine ARCHE in Hamburg ist, zeigen die Zahlen: Die sozialen Dienste schätzen die Zahl der vernachlässigten Kinder in Hamburg auf 700. Kritiker der ARCHE bemängeln, daß durch die kostenlosen Angebote die Eltern zum Konsum erzogen werden. Das läßt Siggelkow nicht gelten: "Vielen Eltern fehlt die Perspektive, weil sie keinen Job haben. Und dann haben die Kinder auch keine Perspektive." In Berlin bindet man die Eltern mit Ein-Euro-Jobs oder ehrenamtlicher Tätigkeit ein. "Damit bekommen sie Selbstwertgefühl und soziale Kompetenz. Das bringt sie zurück in die Familien."

Daß die ARCHE Jessicas Tod hätte verhindern können, glaubt Thies Hagge nicht: "Sie ist ja nicht rausgekommen aus der Wohnung." Aber er hat die Eltern im Gefängnis besucht und bei der Begegnung mit der Mutter begriffen, "daß sie ihre eigene Kindheit auch nur knapp überlebt hat. Wenn sie zu ihrer Zeit eine ARCHE gehabt hätte, dann hätte in ihrem Leben manches anders werden können."

  • Spendenkonto: Arche Jenfeld, Konto 3030103, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 10020500.