Wo finden Trauernde fachkundige Zuhörer und Unterstützung? Das Abendblatt sprach mit einer Psychologin und einer Trauerbegleiterin.

Als Psycho-Onkologin arbeitet die Diplom-Psychologin Beate Lause mit Krebspatienten und den Angehörigen Verstorbener. Sie hört ihren Patienten zu, ist einfach da, hält deren Erzählungen und wiederholte Berichte von Unbewältigtem, von Beerdigungen mit aus, wertet nicht, gibt keine Handlungsanweisungen. "Jeder Mensch hat das Recht, so zu trauern wie er kann", sagt Lause. Viele Menschen haben Angst, sich in ihrer Trauer völlig zu verlieren und nicht mehr zu funktionieren - im Beruf, in der Familie, bei den Kindern und dem Partner.

Zuerst ist der Trauernde in seinem Schmerz gefangen. Er ist fassungslos und begreift nicht, dass der Partner nicht mehr wiederkehrt. Das "Wir" existiert nicht mehr. Das eigene Leben hat sich radikal verändert. Es gehe nach dem Tod darum, in der Trauer einen Weg zu finden, das Außenleben weiter zu leben und einen Innenraum der trauernden Gefühle zu schaffen. "Denn die Trauer ist der einzige Weg, mich mit dem Verstorbenen zu verbinden, ihm nahe zu sein", sagt die Psychologin. Nicht jeder Trauernde muss einen Therapeuten aufsuchen. Vielen helfen Gespräche mit Freunden oder einem Seelsorger.

"Wir sind kein Therapieangebot", sagt Heidi Selmons von der Beratungsstelle Charon. Sie begleitet mit vier erfahrenen Kolleginnen Erkrankte, Trauernde sowie Angehörige Schwerkranker. Das Gesprächsangebot ist kostenlos. "Trauernde sind keine Therapiefälle sondern befinden sich in einer schweren Lebenskrise." Die Trauernden kommen mit ihren meist sehr widersprüchlichen Gefühlen. Da ist die Wut der Witwe auf ihren verstorbenen Mann oder die Aggression der Tochter gegen den toten Vater. "Das ist normal in der Trauer. Dazu gehören auch Zorn, Schuldgefühle, Angst und Ohnmacht", sagt Selmons. Für Trauernde ist es wichtig, alle ihre Gefühle ausdrücken zu dürfen. "In der Trauer gibt es kein richtig und falsch." Wer sich in seinen Gefühlen und in seinem tiefen Schmerz angenommen fühle, finde am besten Zugang zu seinen versteckten Ressourcen. Die Würdigung der Trauer ist dabei ganz wichtig - ganz gleich, wie lange sie dauert.

In der Trauer wechseln beim Trauernden Phasen des Stummseins, des Rückzugs mit Phasen des intensiven Redenwollens ab. "Man findet als Trauernder in seinem Umfeld meistens niemanden, der diese Phasen jeweils bedienen kann oder will", sagt Selmons. In Form von wertschätzenden Gesprächen gehen die Berater bei Charon sehr individuell auf jeden Trauernden ein. Manchmal genügt dem Trauernden schon ein Gespräch, andere kommen regelmäßig zu Charon, über Wochen oder Monate. Und was vielen hilft: Sie können auch später immer wiederkommen, wenn der Trauerschmerz sie wieder einmal in den Abgrund zu reißen droht. Selmons: "Dieses Gerüst der Begleitung im Wissen um die Veränderbarkeit von Trauer und den verschiedenen Trauerphasen ist für viele hilfreich. Denn Trauernde haben oft das Gefühl, der Schmerz wird nie mehr anders."

Es bedarf in der Zeit der Trauer vieler kleiner Schritte, um eines Tages wieder die Freude am Leben zurückzugewinnen. Lause: "Der Trauernde sollte zu sich liebevoll sein - und zu dem Toten."