Große Unternehmen bieten mit Sozialberatungen eine erste Anlaufstelle für trauernde Mitarbeiter.
"Es war eine unglaubliche Erfahrung, als ich irgendwann merkte, dass meine Mutter nicht mehr wollte. Und ich ihr gedanklich mitteilte, dass ich das spüre." Arlen Schneider* begleitete ihre schwer kranke Mutter wochenlang auf der Intensivstation bis zu deren Tod. Das ist jetzt drei Jahre her. Die 36-Jährige organisierte selbst die Trauerfeier, schrieb die Trauerrede - "das half mir" - und fiel danach in ein tiefes dunkles Loch.
Arlen Schneider hatte ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter, die die Tochter allein großzog. Ihr späterer Ehemann adoptierte Arlen, als diese fünf Jahre alt war. Für Arlen ist er ihr Vater. Ein Witwer, der in der erwachsenen Tochter immer wieder die verstorbene Frau sieht. Der schnell eine neue Verbindung zu einer jüngeren Frau eingegangen ist. Auch das schmerzte. "Ganz gleich wie das Verhältnis zur Mutter war, wenn man selbst keine Kinder hat, ist es die schlimmste Erfahrung, die man machen kann", sagt Arlen. "Es reißt einem etwas aus dem Körper."
Der Tod eines geliebten Menschen bringt uns in eine Ausnahmesituation. Man kann sich nicht darauf vorbereiten. Auch der Partner kann nicht helfen, wie Arlen festgestellt hat. Eine erste Anlaufstelle für Trauernde können Mitarbeiterberatungen sein, die viele größere Unternehmen wie Otto und Beiersdorf anbieten. "Zu uns kommen Mitarbeiter in akuter Krise nach dem Tod eines Nahestehenden oder in Trauersituationen, in denen der Verlust des Angehörigen schon Wochen oder Monate zurückliegt", sagt Oliver Lokay von der Sozialberatung bei Lufthansa Technik. Lokay und seine Kollegen unterstützen bei Formalitäten, beim Suchen einer Beratungs- oder Therapiestelle und helfen durch Freistellung und veränderte Arbeitszeiten, wenn durch die neue Familiensituation die Kinder versorgt werden müssen. Lokay: "Wir leisten, wo es erforderlich ist und angefragt wird, als innerbetriebliche Beratungs- und Clearingstelle Krisenintervention und versuchen die Handlungsfähigkeit der betroffenen Mitarbeiter zu erhöhen." Auch durch Darlehen, wenn kein Kontozugriff besteht. "Wir arbeiten jedoch nicht mit einem therapeutischen Ansatz. Auch können wir keinen Ersatz für ein fehlendes soziales Umfeld wie Familie oder Freunde leisten."
Im Umgang mit einem trauernden Menschen ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen und nur dann tiefere Fragen zu stellen, wenn man die nötige Zeit zum Zuhören hat. "Eine gute Unterstützung ist es, mit dem Trauernden zu sprechen und nicht über ihn", sagt Lokay. Aus seiner Erfahrung machen Kollegen wie auch Angehörige häufig den Fehler, etwas zu tabuisieren oder zu vermeiden. "Sie werden übervorsichtig oder stellen den Kontakt sogar ganz ein, in der Annahme, dann machen sie wenigstens nichts Falsches." Er rate zur Klarheit, zur Nachfrage und dazu, zur eigenen Unsicherheit zu stehen. "Manchmal tut es Trauernden richtig gut, wenn sie anderen bei so einer Frage helfen können." Unsinnig sind dagegen Sprüche wie "Das Leben muss weitergehen" oder "die Zeit heilt alle Wunden".
Die Trauer kann viele Gesichter haben: Wut, Enttäuschung, Verzweiflung, Einsamkeit, Bitterkeit. Gerade bei Suizid eines geliebten Menschen seien Wut und Aggression häufige und nachvollziehbare Gefühlslagen, sagt Oliver Lokay. "Ich rate, dem Raum zu geben, sich die Gefühle nicht zu verbieten oder verbieten zu lassen und viel darüber zu sprechen."
* ) Name geändert