Professor Garabed Antranikian ist wissenschaftlicher Koordinator des Forschungsprojektes Bioraffinerie 2021.

Abendblatt: Worin liegt die Bedeutung des Projektes Bioraffinerie 2021?

Garabed Antranikian: In absehbarer Zeit werden unsere fossilen Ressourcen erschöpft sein. Dem gegenüber steht eine wachsende Bevölkerung mit einem zunehmenden Bedarf an Energie und Basischemikalien. Es stellt sich also die Frage: Wie geht es weiter? Antwort: Wir brauchen neue Wege hin zu einer umweltschonenden Rohstoffversorgung - nach unserer Meinung durch die nachhaltige und effektive Nutzung von Biomasse.

Abendblatt: Wobei Sie gerade Biomasse einsetzen, die nicht als Lebensmittel genutzt werden kann, richtig?

Antranikian: Ganz genau, das ist ein wichtiger Aspekt unserer Forschung. Wir haben als Ausgangsmaterial Pflanzenreste im Blick, die im Wesentlichen aus schwer abbaubaren Bestandteilen bestehen. Diese werden durch robuste Enzyme aus speziellen Mikroorganismen zersetzt und in hochwertige Produkte umgesetzt: Grundstoffe wie Ethanol, Butanol, Propandiol oder andere Alkohole sowie organische Säuren wie Ameisen-, Essig- oder Milchsäure für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Aber auch kleine Moleküle, die zu Biokunststoffen weiterverarbeitet werden. Die Natur kann das schon lange, nur dauert das seine Zeit. Wir versuchen diesen Prozess zu beschleunigen - auf wenige Tage.

Abendblatt: Wer ist am Forschungsprojekt beteiligt?

Antranikian: Neun akademische Partner aus Hochschulen und Forschungsinstituten sowie sechs Partner aus der Industrie. In die Forschungen fließen Expertisen aus ganz verschiedenen Bereichen ein: von der Mikrobiologie bis zum Bau von Großanlagen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Rund 30 Wissenschaftler wurden in den Arbeitsgruppen aufgenommen.

Abendblatt: Oft hat Süddeutschland bei der Forschung die Nase vorn, diesmal aber ...

Antranikian: ... sind wir in Hamburg und ganz maßgeblich an der TUHH im Bereich der Biotechnologie einer der wenigen Standorte mit Forschungscluster, die hochinterdisziplinär an dieser Zukunftstechnologie arbeiten. Involviert sind Mikrobiologen, Biochemiker, Chemiker, Thermische Verfahrenstechniker, Bioprozesstechniker sowie Umwelt- und Energietechniker, alles in enger Kooperation mit der Industrie.

Abendblatt: Also keine Arbeit rein im Elfenbeinturm?

Antranikian: Ganz und gar nicht. Wir entwickeln Pilotanlagen, um im Minimaßstab die Effektivität zu beweisen. Denkbar wäre die Entstehung eines regelrechten Technologieparks, der mit einer entsprechenden Anzahl von Arbeitsplätzen und Vorteilen für den Standort Hamburg einhergeht - das sind natürlich Zukunftsszenarien, jedoch unbedingt realistisch.